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spacer.gif   Im Schatten der Landtagsfraktion
veröffentlicht am Montag, 22. Oktober 2007, 20:07 Uhr
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NPD in der Sächsischen Schweiz Der folgende Artikel der NIP-Redaktion erschien in der ak 521 vom 19.10.2007.

analyse&kritik- zeitung für linke debatte und praxis: www.akweb.de.

Die NPD im Kreistag Sächsische Schweiz

Auf den hinteren Plätzen eines nur regional bedeutenden Parlamentes sitzen fünf über die Maßen akkurat gekleidete Abgeordnete - und schweigen. Ihre Anwesenheit wird von den Mitgliedern anderer Fraktionen nicht sonderlich freudig aufgenommen. Die Fünf sind stets anwesend. Zu spät kommen sie nie. Es ist die Fraktion der NPD im Kreistag Sächsische Schweiz. Manche Abgeordnete ignorieren die Neonazis, andere halten es für ein Gebot des Anstands, sie zu begrüßen - allein die VertreterInnen der Fraktion Freie Wähler haben ein "beinahe kollegiales" Verhältnis zur NPD, wie ein anderer Kreistagsabgeordneter es ausdrückt.

Die Sächsische Schweiz gilt als Hochburg der Neonazis, heute der NPD, früher etwa der Wiking-Jugend. Die Kader sind über die Jahre teilweise die gleichen. Lange Zeit waren die im April 2001 verbotenen Skinheads Sächsische Schweiz (SSS) die das lokale Geschehen beherrschende Neonaziorganisation. Die SSS-Strukturen indes funktionierten auch nach 2001 weiter. Gute Kontakte zu NPD-Abgeordneten auf kommunaler oder später auf Landesebene waren ihnen mehr als einmal von großem Nutzen. Zur Kommunalwahl 2004 zogen zahlreiche Personen aus dem Umfeld der SSS in die Parlamente der Sächsischen Schweiz ein.
Heute wirkt die NPD-Kreistagsfraktion ruhig und bedacht - für sie spricht nur der Fraktionsvorsitzende Johannes Müller. Und zwar kurz und prägnant. Früher war das anders: Uwe Leichsenring, die Gallionsfigur der lokalen Neonaziszene brachte sein Charisma zu Geltung, hielt flammende Reden über Ungerechtigkeit und Hartz IV, zum Vorsitzenden der SPD-Grünen-Fraktion, Ivo Teichmann, hatte er persönliche Kontakte - man akzeptierte sich. Und auch Teile der Bevölkerung mochten ihn. Regelmäßig, aber nicht undurchdacht, sorgte Leichsenring für medienwirksame Skandale, meist allerdings im Sächsischen Landtag - im Mai 2006 forderte er "Sonderzüge" wie in der Zeit des Nationalsozialismus um politische GegnerInnen abzutransportieren. Für Schlagzeilen sorgte auch sein Tod bei einem Verkehrsunfall im August 2006.
Die Kontakte zwischen der NPD und der militanten Neonaziszene, für die Uwe Leichsenring von enormer Bedeutung war, bestehen nach wie vor. Zu eng ist beides miteinander verwoben. Große Teile der ehemaligen SSS-Strukturen sind heute in die NPD der Sächsischen Schweiz oder ihre Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten (JN) integriert und stellen eine funktionierende und erprobte Infrastruktur zur Verfügung. Gleichwohl war Leichsenrings plötzliches Ableben für die regionale und die sächsische NPD ein tiefer Einschnitt. Seine engen Kontakte zur militanten Neonaziszene ließen sich, wie sich gezeigt hat, ersetzen, nicht aber sein charismatisches Auftreten und seine Position als Integrationsfigur der gesamten regionalen extremen Rechten. Das selbstbewusste politische Auftreten Leichsenrings im Kreistag und seine geschickte Thematisierung der NPD-Schwerpunktfelder sind dem sachlichen, kurz angebundenen und uncharismatischen Verhalten Johannes Müllers gewichen.
Seit Leichsenrings Tod sitzt neben Johannes und Barbara Müller aus Sebnitz, Steffen Richter aus Neustadt und Michael Jacobi aus Reinhardsdorf-Schöna auch Klaus Rackow aus Struppen im Kreistag. Alle fünf sind gleichzeitig Abgeordnete im Rat ihrer jeweiligen Stadt oder Gemeinde. Johannes Müller ist zudem Landtagsabgeordneter und vertritt die NPD somit auf drei parlamentarischen Ebenen gleichzeitig. Johannes Müller und seine Mutter Barbara verhalten sich in den Sitzungen des Stadtrates von Sebnitz ebenso unscheinbar-sachlich wie im Kreistag. Anders die NPD-Gemeinderäte Klaus Rackow in Struppen, Michael Jacobi und sein Gemeinderatskollege Mario Viehrig in Reinhardsdorf-Schöna. Hier genießen die NPD-Stadträte nennenswertes Ansehen und können sich auf nachhaltige Unterstützung der Bevölkerung verlassen. Insbesondere Viehrig und Jacobi verfügen über lange Jahre kommunalpolitischer Erfahrung, zuerst für die Freien Wähler, dann ab 2004 für die NPD.

NPD-Kommunalpolitik: Dabeisein ist alles

Im Kreistag jedoch ist die Strategie gegenwärtig anders. Es spricht nur Johannes Müller und auch dieser nur kurz, Jacobi, Rackow und Richter halten sich zurück. Die Ausschusssitze und -vertretungen der NPD sind fast alle mit Richter und Jacobi besetzt. Anfragen werden kaum gestellt. Die NPD-Fraktion erarbeitet zwar Anträge - allerdings eher halbherzig, versinken sie doch ohnehin alle in den Ausschüssen, ohne jemals bearbeitet zu werden, denn Anträge müssen nur behandelt werden, wenn sie die Unterstützung von 20% der Abgeordneten finden - doppelt so vieler wie die NPD-Fraktion hat.
Die PR-Arbeit des NPD-Kreisverbandes indes ist lebhaft. Auf einige wenige Themen beschränkt, werden sie immer wieder bearbeitet und bleiben den Menschen in der Region so im Gedächtnis. Es handelt sich der NPD-Linie folgend um Sozialabbau und Asylpolitik und ferner aus strategischen Gründen um Jugendarbeit - damit soll um die Unterstützung junger Familien geworben und antifaschistische Projekte behindert werden - sowie einige lokalspezifische Themen. Finanzielle oder personelle Schwierigkeiten bei der Verbreitung ihrer Propaganda hat die NPD in der Sächsischen Schweiz nicht - in einigen Regionen ist sie präsenter als alle anderen politischen Kräfte. Die Eingliederung alter SSS-Strukturen in die NPD als JN-Kreisverband hat dazu wesentlich beigetragen.
In der Sächsischen Schweiz bestand schon immer eine besondere Nähe zwischen der NPD und dem militanten Kameradschaftsspektrum. Zu Lebzeiten Uwe Leichsenrings war die enge Zusammenarbeit zwischen der im Jahr 2001 verbotenen kriminellen Vereinigung Skinheads Sächsische Schweiz und der NPD kein Geheimnis. Die militanten Neonazis schützten die Veranstaltungen des Kreisverbandes und sorgten im Wahlkampf dafür, dass nicht nur das Entfernen von NPD-Wahlwerbung zu einem gefährlichen Unterfangen wurde. Eine erdrückende neonazistische Hegemonie in der Jugendkultur lässt bis heute nicht-deutsche sowie alternative Menschen und Projekte im ländlichen Raum südlich von Dresden nur wenige Möglichkeiten zur freien Entfaltung.
Nach dem Einzug der NPD in den Sächsischen Landtag stellte Leichsenring zahlreiche Anfragen, die sich mit der Rechtskraft des SSS-Verbotes beschäftigten. Aufgrund seiner Abgeordnetenimmunität verwahrte er die Computer vom Betreiber der SSS-nahen Website "Heimatschutznetzwerk". Der ehemalige Betreiber dieser Website ist Thomas Rackow, Sohn von Kreisrat Klaus Rackow. In einem alten Schuppen von Klaus Rackow befand sich ein beliebter Treffpunkt der SSS. Bei einer Razzia stellte die Polizei dort Waffen sicher.
Thomas Rackow arbeitet inzwischen als Mitarbeiter der NPD-Landtagsfraktion und unterstützt die Kreistagsfraktion in der Sächsischen Schweiz u.a. in Form der Gestaltung der NPD-Kreisverbands-Website tatkräftig. Der 29-Jährige wurde 2003 als Rädelsführer der SSS für schweren Landfriedensbruch, Nötigung, Körperverletzung und Bildung einer kriminellen Vereinigung rechtskräftig verurteilt. Als Mitglied des Vorstandes des NPD-Kreisverbandes Sächsische Schweiz und JN-Kreisgeschäftsführer war er maßgeblich am Umbau der ehemaligen SSS-Strukturen in einen JN-Stützpunkt beteiligt. Auch die Söhne des Kreisrates Michael Jacobi waren Mitglieder der SSS/AO (Aufbauorganisation).
Am 4. April 2007 löste die Polizei in Rosenthal-Bielathal eine Versammlung des JN-Kreisverbandes Sächsische Schweiz auf. Seit Ende 2006 hatten ehemalige SSS-Kameraden hier ein ehemaliges DDR-Ferienheim als Schulungszentrum und Neonazi-Treffpunkt ausgebaut. Die NPD-Kreisräte Michael Jacobi und Steffen Richter waren gern gesehene Gäste auf dem Objekt. Wegen des dringenden Verdachts der Fortführung der SSS wurden damals Thomas Sattelberg, Landesvorstandsmitglied der JN, Martin Schaffrath, Vorsitzender des JN-Kreisverbandes und Thomas Rackow verhaftet. Sattelberg, Gründungsmitglied und ehemaliger Anführer der SSS, tritt nun eine mehrjährige Haftstrafe an. Rackow und Schaffrath sind vorerst auf freiem Fuß.
Ohne die gleichzeitige politische Dominanz der NPD in einigen Regionen durch ihre von der SSS übernommenen Strukturen wäre die Anwesenheit der schweigsamen und zugeknöpften fünf NPD-FunktionärInnen im Kreistag nicht annähernd so bedrohlich. Die regionale Hegemonie der Neonazis vor allem in der Jugendkultur, sowie in Teilen der Alltagskultur in der Sächsischen Schweiz ist einer der wichtigsten Faktoren der Wahlerfolge der NPD. Dabei sind die Kreistagsmandate ein wichtiger Bestandteil der Legitimierung von neonazistischem Denken und Handeln in der Region.

Eng und familiär verbunden: SSS und NPD

Auf der einen Seite ist man gewählter Volksvertreter, auf der anderen Seite setzt man seine Weltanschauung mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln durch. Die militante Neonaziszene und die Kreistagsfraktion der NPD ergänzen sich somit hervorragend. Bemerkenswerterweise stellt die militante Neonaziszene dabei nicht nur Saalschutz und SchlägerInnen zur Verfügung; ehemalige SSS-Kader nehmen an der Ausarbeitung politischer Initiativen teil. Die Infrastruktur für die Verbreitung der NPD-Propaganda und die aktionistische Dynamik im NPD-Umfeld ruht ebenfalls auf jungen Neonazis aus den Umfeld der früheren SSS. Andere politische Kräfte haben dem in einigen Teilen des Landkreises nichts, in anderen wenig entgegenzusetzen.
Die NPD-Fraktion im Kreistag wurde durch den NPD-Wahlerfolg bei den wenige Monate nach der Kommunalwahl folgenden Landtagswahlen in den Schatten gestellt. Der Fokus der Medienöffentlichkeit im Hinblick auf die sächsische NPD liegt nunmehr im Landtag, Rhetorik, Aktionismus und Skandale entfalten im Landesparlament eine wesentlich größere Wirkung als dies auf regionaler oder lokaler Ebene möglich wäre. Und da die lokalen heimatverbundenen WählerInnen Arbeit in kommunalen Parlamenten zudem deutlich mehr honorieren als Initiativen im Kreistag ist seit Leichsenrings Tod die Agitation im Kreistag fast vollständig eingestellt.

Bloße Anwesenheit der NPD im Kreistag zeigt Wirkung

Das heißt allerdings nicht, dass der Kreistag durch die Neonazis unterschätzt würde oder für sie keine Bedeutung hätte; die Zurückhaltung scheint eine strategische Entscheidung zu sein. Die bloße Anwesenheit der NPD-Abgeordneten schränkt die strategischen Spielräume der anderen, insbesondere der linken Fraktionen deutlich ein. Das Sammeln von Informationen über politische GegnerInnen und die Möglichkeiten zum Ausbau der Position der NPD in der Region wird flankiert von der parlamentarischen Behinderung antifaschistischer Initiativen und insbesondere des bürgerlichen "Kampfes gegen Rechts". Aktives Handeln ist dafür nicht notwendig - Anwesenheit reicht aus, um die Behandlung bestimmter Themen in Ausschüssen oder im Plenum zu verhindern oder die Verschiebung dieser Diskussionen in andere Institutionen zu erzwingen.
"Der Maßstab, an welchem sich der Erfolg oder Misserfolg der Kommunalpolitik aus Sicht der NPD bemessen lassen soll, ist also ein völlig anderer als der an demokratische Parteien und Wählergemeinschaften angelegte", so Hubertus Buchstein. (1) Die Erfahrungen in der Sächsischen Schweiz scheinen ihm Recht zu geben: Die Erfolge der Neonazis entfalten sich in dieser Region auf den verschiedensten Ebenen des gesellschaftlichen und politischen Lebens - auch dank ihrer Kreistagsmandate.

NIP-Internetkollektiv Sachsen

Anmerkung:
1) Hubertus Buchstein: Die NPD in den kommunalen Parlamenten Mecklenburg-Vorpommerns. Greifswald 2006


 
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