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veröffentlicht am Donnerstag, 28. Mai 2009, 19:09 Uhr
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NPD im Sächsischen Landtag
Ist die sächsische NPD eine ganz gewöhnliche Partei? Die Berichterstattung des Mitteldeutschen Rundfunks erweckt bisweilen diesen Eindruck.


Der Artikel erschien in einer gekürzten Form in der Wochenzeitung Jungle World und kann dort online nachgelesen werden unter:
http://jungle-world.com/artikel/2009/19/34459.html

von Matthias Groß und Matthias Galle

Die NPD hat viel vor in Sachsen. Auf dem Landesparteitag in Wildberg Anfang März wählte die Partei ihren stellvertretenden Bundesvorsitzenden Holger Apfel zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl Ende August. Dieser verkündete daraufhin, die NPD wolle die drittstärkste Partei im sächsischen Parlament werden. In den Landtagswahlen 2004 hatte sie dieses Ziel um nicht einmal ein Prozent der Wählerstimmen verfehlt.

Apfel zufolge ist seine Partei ohnehin längst »in der Mitte des Volkes angekommen«. Die Machart eines Berichts des öffentlich-rechtlichen Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) zum NPD-Landesparteitag kam Apfels Einschätzung zumindest entgegen: In dem etwa dreiminütigen Beitrag wurde nicht einmal mehr darauf verwiesen, dass es sich bei der NPD um eine »rechtsextreme Partei« handelt, wie es im öffentlich-rechtlichen Fernsehen eigentlich üblich ist. Stattdessen wurde über die NPD wie über jede andere größere Partei berichtet. So beschränkte sich der Beitrag darauf, die Erwartungen und Wünsche der Parteiführung anlässlich des bevorstehenden Wahlkampfs und ihren Traum von einem Ergebnis über zehn Prozent wiederzugeben. Auch der Parteivorsitzende Udo Voigt kam zu Wort, durfte eine kurze Lobrede auf die Arbeitskraft der »vielen idealistischen Mitglieder« halten und sichtlich zufrieden darauf verweisen, dass seine Partei aus diesem Grund »niemals Pleite gehen wird«. In einer Liveschaltung berichtete die Korrespondentin Susann Blum schließlich aus der Mitte des Geschehens und fasste zusammen, dass sowohl die Streitigkeiten innerhalb der Partei als auch die schlechte finanzielle Situation von den Delegierten diskutiert würden und die Parteiführung versuchen wolle, die Krise schnell zu überwinden und Einigkeit zu demonstrieren.

Eine ähnliche Behandlung, wie sie auch den anderen Parteien zukommt, widerfuhr der NPD bereits in einem Interview im Juni 2008. In einem Beitrag der Abendsendung »Sachsenspiegel« befragte ein Kamerateam den parlamentarischen Geschäftsführer der NPD-Landtagsfraktion, Johannes Müller, nicht sonderlich kritisch zum neuen sächsischen Kabinett. »Hat sich nun auch der MDR entschlossen, der Normalisierung rechtsextremer Parteien und ihrer Inhalte Vorschub zu leisten?« fragte als Reaktion auf den Bericht das sächsische antifaschistische Autorenkollektiv »Nazis in den Parlamenten« in einer Pressemitteilung.

Dem MDR, der als einziger deutscher Fernsehsender einen »sächsischen Regionalbezug« pflegt, scheint sein besonderes Verhältnis zur NPD inzwischen jedoch in Ansätzen bewusst geworden zu sein. Seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden in der Vorbereitung auf die Landtagswahl 2009 besonders für die Berichterstattung über die NPD geschult. Auf der Internetseite des Dresdner Presseclubs veröffentlichte der Chefredakteur für das MDR-Fernsehen, Wolfgang Kenntemich, Mitte März eine entsprechende Stellungnahme. Demnach sollen »demnächst Moderatoren, Reporter, Redakteure und Redaktionsverantwortliche« in einem eintägigen Workshop über die Schwierigkeiten der Berichterstattung zur NPD und über »mögliche Reaktions- und Verhaltensmuster« aufgeklärt werden. Der Workshop sei eine »redaktionelle Veranstaltung, bei der in erster Linie journalistische Kompetenzen der Wahlberichterstattung vermittelt werden sollen«, teilte eine MDR-Sprecherin der Jungle World mit. Obwohl die Ankündigung des Chefredakteurs bereits vor über einem Monat veröffentlicht wurde, fand nach Angaben der Sprecherin bisher kein Workshop statt (Stand: 7. Mai 2009).

Neben der Ankündigung, seine Mitarbeiter künftig für die NPD-Berichterstattung schulen zu lassen, gab Kenntemich in seiner Stellungnahme auch Auskunft über ein Dilemma, in dem er seinen Sender im Umgang mit der NPD sieht. Auf der einen Seite sei der MDR »juristisch verpflichtet«, »alle im Landtag vertretenen und zur Landtagswahl zugelassenen Parteien entsprechend ihrer Fraktionsstärke und ihrer politischen Relevanz in der Berichterstattung zu berücksichtigen«. Kenntemich räumt auf der anderen Seite jedoch auch die »politische Verantwortung« ein, »besonders kritisch über die parlamentarischen und außerparlamentarischen Aktivitäten einer solchen Partei zu berichten«. Dabei sei es jedoch »ausgesprochen kontraproduktiv«, durch »übermäßig ausführliche oder häufige Berichterstattung zusätzlich Aufmerksamkeit zu wecken«. Ob es wohl schon »übermäßig ausführlich« wäre, nicht nur die Wahlkampffloskeln der NPD zu wiederholen, sondern z.B. auch die regelmäßigen Angriffe von Parteimitgliedern auf Journalisten oder die geschichtsrevisionistischen Umtriebe des auf dem Landesparteitag als sächsischer Spitzenkandidat für die Bundestagswahl aufgestellten Olaf Rose zumindest kurz zu erwähnen?

Das Dresdner Institut für Kommunikationswissenschaft sammelte auf der Internetseite des Presseclubs Dresden neben der Stellungnahme des MDR-Fernsehchefredakteurs auch andere Stimmen von Journalist_innen zum Umgang mit der NPD. Diese stellten ihre publizistische Verantwortung über die vom MDR-Chefredakteur angeführten juristischen Verpflichtungen der Berichterstattung. Vom freien taz-Autor Michael Bartsch ist zu lesen: “Es gibt eine Grenze, wo man sich zur Parteinahme gefordert fühlt - und das ist dort (bei der NPD, Anm. d. Verf.) der Fall. Diese Grenze ist nicht nur durch subjektives Empfinden gegeben, sondern auch durch einen übergreifenden Konsens der Demokraten, streng genommen auch durch die Präambel und den Grundrechtskatalog des Grundgesetzes.“

Auch Reiner Burger, der Dresdner Korrespondent der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, wurde zu seiner Meinung befragt: „Gleichbehandeln, da tue ich mich schwer. Die NPD will ja auch keine normale Partei sein, insofern kann ich sie dann auch anders behandeln”. Der Autor des Presseclub-Textes Kevin Reißig warnt zudem vor einer vermeintlichen Objektivität, die „zwischen den demokratischen und antidemokratischen Parteien keine Unterschiede“ mache. Dies erzeuge den „faden Beigeschmack (…), sich irgendwie aus der Verantwortung gestohlen zu haben. Immerhin bekäme dann auch die Bevölkerung den Eindruck, dass die NPD eine Partei wie jede andere sei“.
Damit gehen die drei zitierten Autoren gegen die NPD wesentlich stärker in die Offensive, als MDR-Fernsehchefredakteur Wolfgang Kenntemich in seiner Stellungnahme - der jedoch nicht immer derart zurückhaltend im Umgang mit der NPD war. In der Tagesschau am Wahlsonntag der Landtagswahl 2004 ließ Kenntemich nach einem Bericht von Spiegel-Online ein Interview mit Holger Apfel abbrechen und kommentierte Apfels Verhalten als ein Beispiel für eine „möglicherweise sich entwickelnde sehr undemokratische Gesprächskultur“. Im September 2005 jedoch klagte die NPD gegen den MDR. Der Sender veranstaltete vor der Bundestagswahl 2005 eine Talkrunde mit Persönlichkeiten der fünf großen Parteien CDU, SPD, Grüne, FDP und Linkspartei. Die NPD meinte, sie fehle in dieser Aufzählung und wollte sich vor dem Verwaltungsgericht in Leipzig in die Talkshow einklagen. Der Streit konnte erst kurz vor Sendungsbeginn durch einen Vergleich gelöst werden. Wie der Stern auf seiner Internetseite berichtete, verzichtete die NPD schließlich auf ihre Teilnahme in der Talkshow. Der MDR sendete dafür in einer Spätausgabe seiner Nachrichtensendung „MDR-Aktuell“ einen Beitrag über die Nazi-Partei nebst einem zuvor aufgezeichneten Interview mit einem NPD-Vertreter.

In dieser Niederlage für den MDR ist eine Ursache für das juristische Gehorsam des MDR-Fernsehchefredakteurs im Umgang mit der NPD zu suchen. Doch nicht nur aus seiner in der Presseclub-Stellungnahme erwähnten rechtlichen Verpflichtung zur Berichterstattung ergibt sich die Gefahr, die NPD als ganz gewöhnliche politische Kraft in Sachsen anzuerkennen. Die Analyse des Chefredakteurs zu den Gründen für die Popularität der NPD in Sachsen ist ebenfalls fraglich. Als »Ursachen von rechtsextremistischen Tendenzen in der Gesellschaft« nennt Kenntemich nicht etwa das in der Bevölkerung weit verbreitete rassistische, antisemitische und autoritäre Denken, das zum Beispiel in den Studien der Friedrich-Ebert-Stiftung »Vom Rand zur Mitte« (2006) und »Bewegung in der Mitte« (2008) nachgewiesen wurde. Kenntemich sieht vielmehr »Arbeitslosigkeit, Werteverlust, Bindungs- und Perspektivlosigkeit vor allem junger Menschen, Abwanderung und Radikalisierung« als Ursachen – wer die NPD wählt, gibt also, wenn auch irgendwie fehlgeleitet, lediglich seiner sozialen Unzufriedenheit Ausdruck. Doch die NPD ist eben keine Protest- oder Oppositionspartei neben anderen, sondern macht aus ihren nationalsozialistischen Vorstellungen keinen Hehl. Der MDR mag also seine Mitarbeiter »schulen«, um so allzu peinliche Tendenzen in der Berichterstattung über die NPD zu vermeiden. Angesichts einer solchen Analyse der Rolle der NPD und ihrer Wähler bleibt jedoch zweifelhaft, ob der Partei nicht auch im Zuge der Wahlen im August der Rang einer gewöhnlichen und legitimen politischen Kraft und somit ein Platz in der Mitte eingeräumt wird.


 
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