Apfel: "... Ganz im Gegenteil, Sie von der PDS, SPD und von den GRÜNEN wollen, dass noch mehr Steuergelder in Projekte gegen angeblichen Rechtsextremismus investiert werden, obwohl Sie sehr genau wissen, dass diese Projekte oftmals linksextremen Gewalttätern zugute kommen. Meinen Sie, meine Damen und Herren der Linken, denn auch, dass die Chaoten von Leipzig, die Barrikaden angezündet haben, eine gute Arbeit geleistet haben?" [1]
Zum Text.
Es gibt Situationen, in denen sich die NPD-Landtagsfraktion anhört als verstünde sie sich als parlamentarische Kraft des sächsischen Landtags inmitten von ArbeitskollegInnen anderer Parteien. Die NPD gibt sich demokratisch. Zu anderer Gelegenheit tönt Klaus Menzel vom Grossdeutschen Reich und vom "Führer"[2], Uwe Leichsenring bringt es nicht übers Herz sich von den Verbrechen des Nationalsozialismus zu distanzieren [3] und Holger Apfel tätert "von Bomenholocaust und kaltblütig geplanten industriellen Massenmord an der deutschen Bevölkerung" [4]. Die NPD brüstet sich, sie sei "die nationale Opposition". Die Annäherung an die demokratischen Parteien wird nötig, da die NPD kaum Ansätze eines eigenen realpolitischen Programms hat, also parlamentarisch nicht handlungsfähig ist. Die Distanzierung dient der Identitätsbildung. Beispielsweise am 13.Februar in Dresden und zur Fussball- WM setzt sich die NPD trotz Anschlussfähigkeit mit radikalisierten Forderungen ausserhalb des Mainstreams. Anhand der Debatten zu "linksextremistischen Gewalttätern" am 1.Mai in Leipzig soll diese Spannung zwischen Annäherung und Abgrenzung erläutert werden.
Die NPD greift zum Thema Linksextremismus auf zwei Argumentationsschemata des öffentlichen Diskurses zurück: Gewalt und die totalitarismustheoretische Kategorisierung politischer Ideen. Im Falle der 1.Mai Debatte bedeutet das: Die NPD positioniert sich teilweise als Teil der gesellschaftliche Mitte, wenn sie sich als Opfer von Gewalt hinstellt. Zur Mitte Positionierung, d.h. zur Beteiligung am politischen und gesellschaftlichen Mainstream, benutzt die NPD die öffentliche Diskussion, in der gilt, dass Gewalt zur Durchsetzung der eigenen Meinung verpöhnt ist.
Im Folgenden werden die Bezugnahmen der NPD auf den Gewaltdiskurs, anschliessend auf totalitarismustheoretische Ansätze ausgeführt.
Gewalt
Die NPD positioniert sich in der Mitte, wenn sie sich als Opfer von Gewalt hinstellt. Wenn also in der Debatte um den 1.Mai in Leipzig die Aktionen gegen den Naziaufmarsch von linker Seite begrüsst werden, reagiert die NPD (in diesem Fall Leichsenring) sofort mit einer Schuldzuweisung: GewalttäterInnen würde man die Strasse/Öffentlichkeit lieber überlassen als Neonazis. Die NPD wirbt hier um Zustimmung, indem sie die Behinderung rassistischer und nationalistischer Propaganda entpolitisiert und zur puren Gewalt stilisiert. Den Einsatz von Gewalt gesteht sie in diesem Fall nur staatlichen Institutionen zu. Die NPD greift auf den gängigen Diskurs zurück, der die Linke im Kontinuum von Ordnung und Chaos auf letzterer Seite platziert. Dabei ist Ordnung das gesellschaftliche Ziel zum Erhalt der Gemeinschaft. Entgegengesetzte Bestrebungen, wie nicht-staatliche Gewaltausübung, sind dementsprechend gemeinschaftsschädigend. Leichsenring argumentiert in einer Anfrage zum WM-Fussballspiel BRD gegen Argentinien, als Personen mit deutschen Flaggen mit Steinen beworfen wurden, dass die TäterInnen anhand der Kleidung und dem "asozialen Auftreten" als politisch und links "identifiziert" worden. (Kleine Anfrage Leichsenring 04.07.2006). Um der NPD die sehr leicht fassbaren Zügel der Gewaltdiskussion wieder aus den Händen zu nehmen, greifen die bürgerlichen Fraktionen allerdings bei Grenzüberschreitungen wie der Sonderzug- Entgleisung ein. Leichsenring drohte in der 1.Mai-Debatte (11.05.06) mit unübersehbarem NS-Bezug auf die Deportationen von JüdInnen und politischen GegnerInnen mit Sonderzügen für "LinksextremistInnen": "Ja, manchmal wünscht man sie sich wieder." [5] Daraufhin wurde eine weitere Diskussion des Themas für ihn unmöglich, da die anwesenden ParlamentarierInnen der anderen Fraktionen seinen Tabubruch in den Vordergrund stellen. D.h. auch, dass die Berechtigung, sich als Opfer von Gewalt darzustellen, verfällt, wenn die Diskussion politisiert wird, vor allem durch einen NS-Bezug. Das Ziel der Selbstdarstellung als Opfer ist die Öffnung der eigenen politischen Möglichkeiten durch das eingeforderte Schutzverhältnis. In diesem Kontext ist auch die Verharmlosung des eigenen Programms zu sehen, wenn vorrangig frisch verbotene Freie Kameradschaften als neugegründete Ortsvereine der Jungen Nationaldemokraten den Ausschluss aus öffentlichen Veranstaltungen übergehen, indem sie diese belagern. [6] Mit ihrem neuen Etikett sehen sich die Neonazis legitimiert, die demokratisch verbriefte Meinungsfreiheit einzufordern.
Feindbild links
Aus Sicht der NPD findet sich eine weitere Begründung des Anti- Antifaschismus in der besonderen Brisanz, die das "Feindbild links" durch die permanente Präsenz antifaschistischer Proteste erhält. Es heisst: Meldet sich ein Nazi an, sind die Linken nicht weit - wie auch andersherum. Während die konservativere Mitte den Weg der Ignoranz wählt, ist die Linke also ein Stressfaktor. Ihr programmatischer Antifaschismus kollidiert mit der antidemokratischen Haltung der Neonazis. Davon zeugt mit der These "Antifaschismus als Sicherung des Herrschaftsmonopols" auch die neueste NPD Fraktions-Broschüre - "Die ganz linke Tour." Als Leichsenring sich in der 1.Mai-Debatte bis zum verbalen Ausfall der Sonderzüge steigert, bringt er diese latente Struktur in der Auseinandersetzung mit "Links" zum Vorschein. Das historische Feindbild des Gegners stimuliert die NPD. Auch Gansel bemüht sich mit der Illusion einer Dresdner Schule im Grunde nur, ein knappes Jahrhundert "linksradikaler", d.h. antifaschistischer Theorie zu überflügeln. Was Leichsenrings Aussage über "Sonderzüge" so interessant macht, ist, dass sie im Gegensatz zu Apfels und Gansels praxisfreier Ideologie nicht als Tabubruch inszeniert war, sondern gewöhnliche Stammtischpraxis widerspiegelt. Leichsenrings humorvolle Leichtigkeit resultiert also aus der Normalität neonazistischer und rechtskonservativer Einstellungen.
Totalitarismustheorie
Im Gegensatz zur gesellschaftlichen Mitte-Einordnung positioniert sich die NPD als rechtsextreme Partei, wenn sie sich als das explizite Opfer linker Gewalt hinstellt. Als rechter Rand bedient sich die NPD der totalitarismustheoretischen Gleichsetzung linker und rechter politischer Extreme. Ist es möglich, dass sie das als rhetorisches Mittel anwendet, um Minderheitenschutz geltend zu machen? Die Totalitarismustheorie beschäftigt sich mit diktatorischen Staatsformen des 19. und 20.Jh.. Trotz der Kritik am totalitarismustheoretischen Ansatz, den NS durch die Gleichsetzung mit der DDR zu verharmlosen, resultierte dieser Ansatz in der Änderung der Stiftungssatzung der Sächsischen Gedenkstätten. In diesem Zuge traten der Zentralrat der Juden Deutschlands und der VVN-BdA aus dem Stiftungsbeirat aus. Die Totalitarismustheorie entwirft moralisierend das Dogma der "guten Demokratie", die sich gegen totalitäre Vereinnahmung wehren muss. Linke und Rechte stellen somit ohne qualitative Unterscheidungen das Gefahrenpotential dar. Die NPD bedient sich dieser Zuschreibung um ihre oppositionelle Identität herauszubilden. Für Leichsenring beispielsweise stand schon 1999 fest: "Das System hat keine Fehler, das System ist der Fehler." [7] Dieser Frontalangriff beinhaltet darüber hinaus die Kampfansage an die Linke, die totalitarismustheoretisch als Konkurrentin um die ausschliesslich gültige Ideologie stilisiert wird. Am 1.Mai sieht sich die neonazistische Szene deshalb in einer ganz speziellen Opferrolle. Die totalitarismustheoretische Motivation der Linksextremismusvorliebe der NPD geht hier über die Selbstdarstellung als Opfer von Gewalt hinaus. Wenn sich die NPD als das explizite Opfer linker Gewalt hinstellt, ordnet sie sich am rechten Rand ein. Lässt sich das mit der Mitte Positionierung vereinbaren?
Um diese Spannung noch einmal zu verdeutlichen ein Beispiel aus einer Landtagsdebatte um die NPDAussteiger Baier, Schmidt und Schön Anfang 2006. Zuerst droht Apfel: "Wie hoch der Judaslohn dieser drei Herrschaften gewesen sein wird, wird sich wohl erst endgültig offenbaren, wenn es einen Regimewechsel in diesem Land gegeben haben wird.", wie auch: die PDS liesse sich von der Staatsregierung "einspannen", sie wären "Salonkommunisten". Leichsenring versucht hingegen zu polarisieren und sieht die NPD in einem Boot mit den anderen Parteien: "Wenn jemand von der Opposition missliebig wird, schaltet sich der Staat ein" und "der Geheimdienst kontrolliert uns, egal welche Fraktion." Gansel gibt sich gleich darauf wieder oppositionell: Die politische Klasse wäre nur als "politkriminelle" Klasse zu bezeichnen.
Das Resümee: Die Rhetorik der NPD besteht aus mehreren bekannten roten Fäden mit denen sie zum Einen versucht sich an das bürgerliche Parteienspektrum und die bürgerliche Öffentlichkeit anzunähern, sich zum Anderen der Erwartungshaltung der rechtsextremen Spektrums und ihrer eigenen Identität verpflichtet sieht. Zum 1.Mai ähnelt dieser Konflikt einem Platzhascher. In der Diskussion um Bevölkerungsentwicklung, Naturschutz und soziale Sicherung erreichen weder die pseudosachpolitischen Vorschläge noch die vorwiegend rassistische Agitation ihr Ziel, sondern verweht lau.
Fußnoten:
[1] Holger Apfel in der Plenarsitzung vom 11.05.06.
[2] http://nip.systemli.org/Article98.html
[3] http://nip.systemli.org/Article96.html
[4] http://nip.systemli.org/Article22.html
[5] http://nip.systemli.org/Article139.html
[6] Bspw.: http://www.mut-gegenrechte-gewalt.de/artikel.php?id=10&kat=10&artikelid=2094
[7] http://nip.systemli.org/Article139.html
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