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spacer.gif   Der lange Atem
veröffentlicht am Donnerstag, 26. März 2009, 13:35 Uhr
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NPD im Sächsischen Landtag
KOMMENTAR VON KERSTIN KÖDITZ

Ob Finanznöte oder Führungsstreit: die NPD ist noch lange nicht am Ende.

die tageszeitung, 25.03.2009

Auerbach, Gelenau, Geyer, Großrückerswalde, Jahnsdorf, Krumhermsdorf, Lauter, Lößnitz, Olbernhau, Schneeberg, Bad Schlema, Seiffen, Thalheim und Zschopau sind mehr oder weniger bekannte Orte im sächsischen Erzgebirge. Sie haben eines gemeinsam: Die NPD wird am 7. Juni dort zu den Kommunalwahlen antreten. Von der derzeit unisono durch Medien, Politiker und Professoren verkündeten Krise der NPD kann mitnichten die Rede sein.

Deshalb verkündet die NPD auch zuversichtlich, dass "mit weiteren Wahlantritten zu rechnen" ist. Der Kreisvorstand sei zudem noch mit möglichen Kandidaten im Gespräch, "die er gegebenenfalls nachnominiert". Die Kreistagswahlen im vergangenen Jahr haben erwiesen, dass die NPD dort, wo sie antritt, auch gewählt wird.

Die bereits erfolgten Nominierungen in den Kreisen ihrerseits lassen darauf schließen, dass die NPD in deutlich mehr Kommunen antreten wird als vor fünf Jahren, darunter erstmals auch in den drei sächsischen Großstädten Dresden, Leipzig und Chemnitz. Fast überall ist die Einbeziehung sogenannter Freier Kräfte, besonders aus dem "Freien Netz Mitteldeutschland", gelungen. Trotz der eklatanten Finanzsorgen der Partei steht durch die Kameradschaftsmitglieder die nötige Manpower zur Verfügung, um den Wahlkampf organisatorisch zu bewältigen. Außerdem werden sich mit den vermehrten Wahlantritten auch die Zahl der Mandate der Partei, ihre Bekanntheit und Akzeptanz vor Ort erhöhen.

Gelingt es der NPD, den Aufwind über die Sommerpause zu retten, dann stehen auch ihre Chancen auf einen neuerlichen Einzug in den Sächsischen Landtag nicht schlecht. Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik würde die NPD dann zweimal hintereinander in einen Landtag gewählt.

Laut zwei Umfragen vom 24. März liegt die NPD in Sachsen derzeit bei 4 bzw. 5 Prozent. Die tatsächlichen Ergebnisse für Parteien der extremen Rechten bei Wahlen liegen aber in der Regel über den Umfragewerten. Auch vor der Landtagswahl in Sachsen im September 2004 sahen die Meinungsforscher die NPD lediglich bei 4 bis 5 Prozent. Tatsächlich waren es am Ende 9,2 Prozent; das machte zwölf Mandate. Das anschließende offizielle Erschrecken war groß, allerdings leider nicht nachhaltig.

Verstärken wir den Gruseleffekt noch ein wenig. Heute ist fast vergessen, dass dem damaligen Wahlerfolg ein weiterer, schon damals zu wenig beachteter vorausging. Nur zwei Wochen vor dem Wahltag in Sachsen hatte die NPD bei einer Landtagswahl im Westen, im Saarland, immerhin 4 Prozent eingefahren. Ein Erfolg, von dem sie über Jahrzehnte in einem westlichen Bundesland nur träumen konnte. Damals wurde neben Hartz IV der krisenhafte Zustand des Saarlands für ihre Beliebtheit verantwortlich gemacht. Und dieser Zustand dauert bis heute an. Nach wie vor ist das Saarland eine abgehängte Region. Angesichts der Tatsache, dass wir erst am Anfang der ökonomischen Krise stehen dürften, muss man davon ausgehen, dass die NPD weiter Zulauf haben wird - nicht nur im Osten. Denn für die Wirkung der gegenwärtigen Hauptideologie der Neonazis, den völkischen Antikapitalismus, sind eine erhöhte Arbeitslosenquote sowie die Erschütterung des Wertesystems natürlich günstige Umweltbedingungen.

Bleibt die Frage, ob sich die NPD aufgrund ihrer Führungskrise selbst ein Bein stellen wird. Da aber der Kampf zwischen dem Schweriner Fraktionschef Udo Pastörs und dem Parteichef Udo Voigt ein reiner Machtkampf ist und es dabei kaum um unterschiedliche Ausrichtungen der Partei geht, ist nicht davon auszugehen, dass die Partei an diesem Streit zerbrechen wird. Der ehemalige NPD-Funktionär Jürgen Schwab fasst es denn auch wie folgt zusammen: "Die einen ,Arier' lassen sich vom Millionär Patrik Brinkmann, die anderen vom Millionär Jürgen Rieger finanzieren. Und das halten sie sich dann gegenseitig vor!" Konsequenterweise organisierte die Kameradschaft "Freies Netz" - als quasi neutraler Schiedsrichter - den Showdown der beiden Matadoren. Am 22. März kam es in Limbach-Oberfrohna zum Aufeinandertreffen vor 200 Zuschauern, Eintritt fünf Euro. Die "nationalen Sozialisten" des "Freien Netzes" wollten dabei "auf Augenhöhe" mit der Partei debattieren und setzten dies auch um.

Tatsächlich ist zu vermuten, dass es im Führungsstreit der NPD wesentlich darauf ankommen wird, wer das Umfeld besser an sich binden kann. Wer das schafft, der wird die nächsten Wahlkämpfe und die nächsten Jahre bestreiten. Ob Udo gewinnt oder Udo verliert, ist also letztlich nebensächlich.

Nicht zu unterschätzen ist auch, dass die NPD Erfahrung mit Führungskrisen hat. Als nach der Niederlage bei der Bundestagswahl 1969 die Mitglieder in Scharen desertierten, sich die Aktion Neue Rechte abspaltete und sich die DVU als Konkurrenz neu gründete, als der Vorsitzende Adolf von Thadden resigniert das Handtuch warf, hat die NPD dies überlebt. Als Ende der Achtzigerjahre der DVU-Vorsitzende Gerhard Frey die NPD fast in seiner Umarmung erdrückt hatte und diesmal die Führer Martin Mußgnug und Jürgen Schützinger einen Konkurrenzverein eröffneten, hat die NPD dies ebenfalls überlebt. Als unmittelbar danach der egomane Günter Deckert die Partei zu seiner persönlichen Spielwiese machte und in unbekannte Tiefen führte, hat sie es nicht nur überlebt, sondern durch die putschähnliche Übernahme der Partei durch das heute noch aktive Duo Udo Voigt/Holger Apfel auch die Voraussetzungen für einen neuen Aufstieg geschaffen. Eine der Stärken der NPD besteht zweifellos in ihrem langen Atem. Eine Führerpartei orientiert sich immer am aktuellen Führer, der König von gestern ist stets tot. Und anders als bei den schrumpfenden Volksparteien bildet der völkische Nationalismus ein offenkundig stabiles Bindemittel.

Und das Geld? Immer wieder wird behauptet, die NPD sei nun endlich erledigt, weil ihr das Geld ausgehe. Aber auch das ist kurzsichtig. Denn das Geld wird fließen, ob nun vom Millionär Brinkmann oder vom Millionär Rieger, ist dabei nicht entscheidend. Entsprechend frohlockt auch Udo Voigt im Parteiorgan Deutsche Stimme: "Mag das System Pleite gehen, die NPD nicht!" Sein Gefolgsmann Frank Schwerdt sekundiert, die Partei müsse lediglich ihre Verwaltungstätigkeit stark einschränken. Tatsächlich hat die NPD auch mit Finanzkrisen Erfahrung - und schon deutliche schlimmere Zeiten überstanden. Nach der Bundestagswahl 1972 musste sie 1,9 Millionen DM zu viel erhaltener Vorschüsse zurückzahlen. Man verlegte sich auf Ratenzahlung. Der Landesverband Schleswig-Holstein etwa stotterte seine Schulden in monatlichen Raten von 500 DM ab. Was der CDU nach deren Spendenaffären recht war, wird der NPD morgen billig sein. Gleiches Recht für alle heißt Ratenzahlung für alle. Also: Crisis, what crisis? Die Lage der NPD mag angespannt sein, ernst aber ist sie nicht.


Kerstin Köditz (42) lebt in Grimma und ist Sprecherin für antifaschistische Politik der Linksfraktion im Sächsischen Landtag. Sie hat gerade das Buch "Und morgen? Extreme Rechte in Sachsen" (Verbrecher Verlag) veröffentlicht.

Der Kommentar erschien in "die tageszeitung" (taz) vom 25.03.2009.


 
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