Sächsische Zeitung vom 13. März 2006.

von Marco Mach

Um 18.40 Uhr war alles klar: Die Reinhardtsdorfer, Schönaer und Kleingießhübler wollen auch künftig Single bleiben und nicht mit Bad Schandau Hochzeit feiern. Beim gestern durchgeführten Bürgerentscheid zur Frage „Soll die Selbstständigkeit der Gemeinde erhalten bleiben?“ stimmten 732 der 783 zur Wahl gegangenen Bürger mit Ja. Das sind 93 Prozent. Nur 49 Einwohner machten bei „Nein“ ihr Kreuz, zwei Stimmen waren ungültig. Klarer geht’s nicht. Die Wahlbeteiligung lag trotz des Wintereinbruchs bei 57 Prozent.

Damit ist der Bürgerentscheid, der durch eine Unterschriftenaktion der NPD herbeigeführt wurde, auch gültig. Notwendig dafür waren 347 Kreuze bei Ja (25 Prozent der 1 385 Wahlberechtigten). So kann der Gemeinderat künftig zwar Fusionsverhandlungen führen, einen Zusammenschluss mit Bad Schandau aber in den nächsten drei Jahren nicht beschließen.

„Offensichtlich hat der Gemeinderat nicht gerade im Interesse der Bürger entschieden, als er im November Fusionsverhandlungen mit Bad Schandau beschloss“, sagte Bianca Richter von der örtlichen Bürgerinitiative. „Es ist ein Sieg der Demokratie und für die Bevölkerung“, ergänzte der Gemeinderat der kontra Fusion eingestellten PDS, Ernst Fink, der bei der Auszählung in Reinhardtsdorf dabei war. Am Abend wollte er mit seiner Frau eine Flasche Sekt köpfen. André Hahn, Chef der PDS-Kreistagsfraktion, bezeichnete das Ergebnis als Schlappe für die CDU und ihren Bürgermeister Arno Suddars.

Bei den pro Fusion eingestellten Christdemokraten nahm man die Niederlage jedoch eher gelassen. Der CDU-Kreischef und Landrat, Michael Geisler, sagte in einer ersten Stellungnahme: „Diese Entscheidung reiht sich in die Erfahrungen ein, die in letzter Zeit mit den Fusionsversuchen Bad Schandau/Sebnitz und Hohwald/Neustadt gesammelt werden mussten. Die Aufgabe der Eigenständigkeit wird offensichtlich als großer Verlust der Identität gesehen.“ Bei den Bürgern habe die gemeindliche Selbstständigkeit einen höheren Stellenwert als mögliche Vorteile einer Fusion.

Bürgermeisterwahl folgt

Seit 8 Uhr konnten gestern die Einwohner über die Zukunft ihrer Gemeinde abstimmen. Das Ehepaar Schwarz tat dies am Mittag im Reinhardtsdorfer Wahllokal im Sport- und Freizeit-Treff. „Ich finde es gut, dass das Ganze nicht über unsere Köpfe hinweg entschieden wird“, sagte Katharina Schwarz. Beide hätten die Selbstständigkeit gewählt. Sie befürchten, dass im neu zu bildenden Stadtrat bei einer Fusion nur wenige aus der Gemeinde sitzen und deshalb die örtlichen Interessen schlechter vertreten würden.

Auch für die Unabhängigkeit hat der Gastwirt der neben dem Wahllokal gelegenen Kneipe gestimmt, obwohl er dafür ist, dass Reinhardtsdorf-Schöna und Schandau Fusionsverhandlungen aufnehmen – aber in Ruhe und auf gleicher Augenhöhe. Den Entscheid selbst fand Michael Wunderlich nicht so interessant wie die im April anstehende Bürgermeisterwahl. „Irgendwann wird sowieso von oben über unsere Zukunft entschieden“, so der 47-Jährige.