Jungle World vom 03. Mai 2006.
Ein Mitglied des Bundesvorstandes der Wasg ist in die NPD eingetreten. Auch im Berliner Landesverband tummeln sich Rechte.
von stefan wirner
Erkennen die Neonazis nicht mal mehr ihresgleichen? Als im Jahr 2004 im sächsischen Chemnitz die erste Demonstration gegen Hartz IV stattfand, versuchten Rechtsextremisten aus dem »Sozialistischen Kameradenkreis Chemnitz«, sich dem Umzug anzuschließen. Doch der Anmelder der Demonstration ließ sie nur eine Viertelstunde gewähren. Dann forderte er sie auf, sich zurückzuziehen, und drohte andernfalls mit dem Einsatz von Security-Leuten. Auf der Internetseite des so genannten Freien Widerstands hieß es später: »Hieran sieht man einmal mehr und sehr deutlich, dass antideutsche Kreise den Unwillen des Volkes dazu ausnutzen, um Wahlkampf für die PDS zu betreiben.«
Der Anmelder der Demonstration war Andreas Wagner, damals Mitglied der Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit (Wasg) in Chemnitz, später des Bundesvorstandes der Wasg. In der vorigen Woche trat er aus seiner Partei aus, um sich der NPD anzuschließen. Er will sozialpolitischer Berater der sächsischen Landtagsfraktion der »Nationaldemokraten« werden.
Als Gründe für seinen Wechsel nannte er am Freitag auf einer Pressekonferenz »die Fusion mit der PDS«, den »Ausverkauf der Wasg« und »die Diktatur einiger Bundesvorstandsmitglieder, die an den SED-Stalinismus erinnert«. Er ließ seinem Antikommunismus freien Lauf und behauptete, bei der Fusion von Wasg und Linkspartei gehe es darum, »dem Einzug des Kommunismus Schützenhilfe zu leisten«. Dagegen habe ihn die »sozialpolitische Kompetenz der NPD-Fraktion im sächsischen Landtag« überzeugt. Er erkenne zudem Übereinstimmung in den Programmen von Wasg und NPD. »Auch die Äußerungen von Oskar Lafontaine auf der Montagsdemo im vergangenen Jahr in Chemnitz über die ›Fremdarbeiter‹, seine Warnungen vor ›Lohndrückerei‹ und vor einem EU-Beitritt der Türkei lassen Berührungsflächen zwischen Wasg und NPD erkennen.«
Als der 46jährige selbständige Handelsvertreter, der aus Gelsenkirchen stammt und seit 1992 in Chemnitz lebt, seinen Übertritt bekannt gab, war die Überraschung im Bundesvorstand der Wasg groß. Von den rechtsextremen Einstellungen des Vorstandskollegen will man bis dahin nichts bemerkt haben. Das Vorstandsmitglied Joachim Bischoff sagte der Jungle World, Wagner sei »politisch nicht relevant« gewesen. »In der Bundesvorstandsarbeit ist er überhaupt nicht aufgefallen.« Sein Kollege Axel Troost verrät: »Ich habe subjektiv nicht den Eindruck gehabt, dass Wagner mit der NPD zu tun hat.« Die ostdeutschen Vertreter hätten sich damals auf Wagner verständigt, so sei er in den Bundesvorstand gekommen. So funktioniere das eben »in einer jungen Sammlungsbewegung«. »Es gibt Leute, die denken, die können da mitmachen, und dann sehen sie, dass sie da völlig falsch sind.«
Das klingt, als sei der Mann irgendwie vom Himmel gefallen. Murat Cakir, ebenfalls Mitglied des Bundesvorstands, erzählt immerhin, Wagner habe in einer Unterhaltung schon einmal gefragt, ob es richtig sei, trotz der hohen Arbeitslosenzahlen so viele Ausländer ins Land zu lassen. Aber solche Äußerungen führen in der Wasg offensichtlich zu keinen Auseinandersetzungen, schreibt doch der große Anführer, Oskar Lafontaine, selbst in seinem Buch »Politik für alle«: »In einem Land hoher Arbeitslosigkeit ist es deshalb fahrlässig und töricht, eine weitere Zuwanderung zu fordern.«
Ein Mitglied des Vorbereitungskreises der Chemnitzer Demonstrationen gegen Hartz IV erzählt, dass Wagner auf den Treffen »eine relativ oberflächliche Kritik an der Globalisierung und den Sozialkürzungen« geübt habe, sich aber gegen die Neonazis gewandt habe, weil man ihnen nicht die Straße überlassen dürfe. »Wagner hat sich selbst ins Abseits manövriert. Er war extrem stur und pfiff auf Gruppenentscheidungen. Er wollte die Massen aufheizen. Schon damals gab es den Verdacht, dass mit ihm nicht alles in Ordnung sei. Manche vermuteten, dass er vom Verfassungsschutz komme. Er ist schließlich aus dem Bündnis rausgeflogen.«
Wagner ist nicht der erste extreme Rechte in der Wasg. Im Hamburger Landesverband tauchte im Jahr 2004 Frank-Michael Bauer auf. Er war zuvor in der Statt-Partei aktiv, später war er innenpolitischer Sprecher der Schill-Partei. In Brandenburg wechselte im vorigen Jahr ein ehemaliger Kreisvorsitzender der DVU, Manfred Friedrich, zur Wasg und wurde deren Schatzmeister und Vorstandsmitglied im Kreisverband Brandenburg/Havel. Er arbeitete auch in der Wahlkampfzentrale der Linkspartei. Als seine Vergangenheit bekannt wurde, verteidigten ihn sowohl seine neuen Genossen aus der Wasg als auch aus der Linkspartei. Er habe sich geändert und sei kein Rechter, hieß es.
Auch im Berliner Landesverband der Wasg tummeln sich Rechte. Klaus Kaasch von der Wasg Tempelhof-Schöneberg versucht bereits seit dem Jahr 2004, darauf aufmerksam zu machen. (Jungle World, 50/04) Der 61jährige IT-Fachmann wies darauf hin, dass Siegfried Lange, ein Mitglied einer früheren extrem rechten Bürgerinitiative, der »Wählerinitiative Bürger und Kleingärtner«, im Verein der Wahlalternative in Steglitz-Zehlendorf mitwirkte. Die rechte Initiative von Kleingärtnern hetzte gegen »Scheinasylanten« und beteiligte sich im Jahr 1999 an einer Kampagne gegen das Holocaust-Mahnmal. Im selben Jahr kandidierte sie zusammen mit dem »Bund freier Bürger« und der »Bürgerinitiative für Deutschland« auf der Liste »Allianz der bürgerlichen Parteien« bei den Abgeordnetenhauswahlen.
Lange belegte Platz sieben der Liste. Auf Platz eins kandidierte Heinz Troschitz, der mittlerweile in der Wasg Spandau wieder auftauchte und ein abwechslungsreiches politisches Leben zu führen scheint. Er trat im Jahr 1999 auf einer Kundgebung gegen das Holocaust-Mahnmal als Redner auf, später war er Mitglied der Schill-Partei, was aus einem Bericht des Tagesspiegel aus dem Jahr 2002 hervorgeht. Im vorigen Jahr kandidierte er bei den Wahlen zum erweiterten Vorstand der Berliner Wasg, wurde aber nicht gewählt. Inzwischen nehme Troschitz regelmäßig an den Bezirksversammlungen der Linkspartei in Spandau teil, erzählt Kaasch.
Lange wurde wegen Kaaschs Enthüllungen nicht in die Partei aufgenommen. »Aber ich bin heftig dafür diffamiert worden, das hält bis heute an«, erzählt dieser. Die Wasg tendiere in Berlin eher nach rechts. Er habe zusammen mit anderen versucht, in Tempelhof-Schöneberg dazu ein Gegengewicht aufzubauen, sei aber damit gescheitert. »Jetzt sitzen da nur noch Antikommunisten drin.«
Dies mag verwundern, stellt sich doch gerade der Berliner Landesverband gerne als links im Vergleich zur Linkspartei dar. Heftig kritisiert man den Sozialabbau, den der rot-rote Senat in Berlin durchsetzt. Aber mit welchen Argumenten? In einem Internetforum der Berliner Wasg wird auch mit rechten Parolen gegen eine gemeinsame Kandidatur mit der Linkspartei geworben. Es ist die Rede von den »alten Schergen des SED-Regimes« und von der »SED/PDS/L.PDS«. Wolfgang Kroll von der Wasg Spandau etwa schreibt: »Die rote Bruderschaft in Berlin ist gescheitert!« Er agitiert in anderen Internetforen gegen die Osterweiterung der EU oder gegen die »Totalrenovierung der DDR«, die Milliarden koste. Klaus Kaasch meint: »Die Berliner Wasg ist beherrscht von Linksruck und der Sozialistischen Alternative Voran (SAV), und sie ist gleichzeitig unterwandert von rechts. Dafür gibt es mehr als Anzeichen.«
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