Sächsische Zeitung, 24.07.2006
Netzwerk. Die NPD schult ihr Personal schon für die Wahlen 2009 – Vereine wollen darauf reagieren.
Von Alexander Schneider
Etwa 20 Antifa-Aktivisten verteilen gestern, am frühen Sonntagmorgen in Dresden-Pappritz Flugblätter. Sie protestieren gegen ein braunes Fest. Doch es gibt Ärger mit dem Eigentümer des Geländes. Er soll sogar Schreckschüsse auf die Antifa abgefeuert haben. Als die Polizei eintrifft, ist der Spuk längst vorbei. Die Beamten bestätigen „Knallereignisse“, jedoch keine Details. Die Antifa-Aktion ist gegen das Pressefest des Deutschen Stimme-Verlags aus Riesa gerichtet, der am 5. August in Dresden 4 000 Anhänger erwartet.
Harte Auseinandersetzungen
Konfrontationen zwischen Extremisten von rechts und links könnten in der Landeshauptstadt weiter zunehmen. „In Dresden entsteht neben Berlin das zweite Machtzentrum der NPD“, sagte Rainer Stock, Chef des Landesamts für Verfassungsschutz, bei einem Treffen des Netzwerks gegen Rechtsextremismus Sachsen (NWS) in Dresden.
Dafür spreche etwa die Verlegung der sächsischen Parteizentrale nach Dresden, die Landtagsfraktion mit ihren acht Beratern und nicht zuletzt das Pressefest des NPD-Blatts. „Ich kann nur raten, nicht hinzugehen, denn die NPD legt großen Wert auf die Teilnehmerzahl“, sagte Stock. Die Jungen Nationaldemokraten, Jugendorganisation der NPD, weitet laut Stock ihre Aktivitäten aus, um gezielt junge Menschen zu erreichen. Und die Mutterpartei bereitet sich schon auf die Kommunalwahlen und die Landtagswahl 2009 vor, veranstaltet Schulungen von Kandidaten wie kürzlich in Siebenlehn mit 60 Teilnehmern. Dort müssen sie auch Kommunal- und Haushaltsrecht pauken. „Auffällig ist, dass die NPD versucht, Persönlichkeiten, Handwerker und Unternehmer für sich zu gewinnen, ohne von ihnen zu verlangen, Mitglied zu werden“, sagt Stock. „Sie als Netzwerk gegen den Rechtsextremismus können vor Ort auf diese Menschen einwirken. Uns Verfassungsschützern sind da die Hände gebunden.“
In den fünf Jahren, seit es das NWS gibt, hat sich einiges getan. „2000 sagte der damalige Ministerpräsident, es gibt keinen Rechtsextremismus in Sachsen – sechs Jahre später wissen wir: Es hat ihn immer gegeben“, so NWS-Präsident Wolf Dähne. Er komme aus der Mitte der Gesellschaft. Fragen von Eltern wie: „Was hat Hitler denn Schlimmes getan?“ seien besonders erschütternd. Das Netzwerk will daher eine Info-CD extra für Eltern herausgeben. „Wir sind mit unserer Arbeit noch lange nicht am Ende.“
Über 35 000 Menschen erreicht
Seit 2001 organisierte der Verein 1 370 Seminare und Schulveranstaltungen, erreichte 35 584 Sachsen und führte allein vergangenes Jahr 120 Gespräche mit Aussteigern – alles ehrenamtlich. Zur Zielgruppe zählen junge Menschen, aber auch Politiker, Angestellte, Lehrer und Sozialarbeiter – alles kostenlos. Das könnte sich ändern. Ende 2006 läuft das Modellprojekt des Bundes aus, die Finanzierung wird umgestellt. Das Netzwerk ist gezwungen, Mittel neu einzuwerben – vor Ort in den Kommunen. „Also ausgerechnet bei denen, die wir überzeugen müssen, dass sie mehr gegen Rechtsextremismus tun müssen“, so ein Vorstandsmitglied. Wie nötig dies ist, zeigt eine Meldung vom Sonnabend: NPD-Bundeschef Udo Voigt, seit Jahren auch in Sachsen aktiv, wurde von der Polizei in Gewahrsam genommen – wegen des Verdachts auf Volksverhetzung.
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