Heiterkeit in den Reihen der NPD nach der Wahl zum sächsischen Ausländerbeauftragten – wiederholt erhielt ein Kandidat des rechtsextremen Lagers zwei Stimmen aus den Reihen der anderen Fraktionen. „Schämen reicht nicht mehr“ titelte beispielsweise der Tagesspiegel in Bezug auf das wiederholte Fiasko bei der Sitzung des Landtages am 09.12.2004 in Dresden. Mehr Infos dazu gibt es hier!Gleich zu Beginn der Landtagssitzung am 09. Dezember verwickelte die NPD den Landtag in eine wüste Debatte zu rechter und linker Gewalt. Die Rechtsradikalen forderten in einem dringlichen Antrag den Einsatz eines Untersuchungsausschusses wegen angeblicher Krawalle bei einer Antifa - Demonstration im sächsischen Pirna. Dabei versuchten die Neonazis sich als die wahren Hüter von Ordnung, Sicherheit und Demokratie aufzuspielen. Die Demo "Schöner leben ohne Naziläden" am 27.11.2004 in Pirna wurde von Uwe Leichsenring thematisiert. So seien dies die schwersten politischen Krawalle der letzten Jahre, denn die Dresdner Innenstadt wurde in Schutt und Asche gelegt und der Bahnhof in Pirna wurde zerstört. Er forderte weiterhin den Ausschluss der beiden PDS- Abgeordneten (Kerstin Köditz und Freya Klinger), welche die Demo angemeldet hatten, aus der Fraktion der PDS. Denn der MdB Martin Hohmann sei ja auch aus der CDU- Fraktion ausgeschlossen wurden, obwohl der Inhalt seiner Rede historisch verifizierbar sei. Er warf der PDS vor, dass sie Gewalt knapp unterhalb des politischen Terrorismus verharmlose. Nicht fehlen durfte natürlich der Hinweis, dass die NPD Gewalt zur Durchsetzung von politischen Zielen ablehne.
In einer für seine Verhältnisse überraschend klaren und emotional geladenen Rede versuchte Ministerpräsident Georg Milbradt die Parallelen der NPD mit der NSDAP nach ihrem Einzug in den Reichstag im Jahr 1928 darzustellen, da beide Parteien u.a. angetreten waren um Demokratie und Meinungsfreiheit zu beseitigen. Milbradt schäme sich dafür, dass der erhobene rechte Arm von Holger Apfel nach dem Wahlerfolg der NPD überregional bereits als "sächsischer Gruß" bezeichnet werde. Trotzdem wirkte der Ministerpräsident sehr unbeholfen, da viele Parlamentarier aus seinen eigenen Reihen seine Aufregung nicht recht teilen konnten. Die Regierungserklärung "Stolz auf Sachsen- Mut zur Zukunft" des Ministerpräsidenten Georg Milbradt nahm sich Holger Apfel vor. Er diffamierte Milbradt als einen Chefadministrator von einem "EU- Großprotektorrat". Gemäß Apfel müsse Sachsen eine "Bevölkerungspolitik" betreiben, denn Sachsen dürfe sich nicht durch die Mühlensteine der Weltoffenheit zerreiben lassen und durch fremdgesteuerte Integration seine Identität verlieren.
Bei der Wahl zum sächsischen Ausländerbeauftragten schickte die NPD mit ihrem Abgeordneten Mirko Schmidt einen eigenen Kandidaten ins Rennen. Dieser sollte nach Angaben der Neonazis als "Rückkehrbeauftragter" dafür Sorge tragen, den Mitmenschen nichtdeutscher Herkunft eine "Heimkehr in Würde" zu ermöglichen. Der gesamte Wahlvorgang war von expliziten Aussagen zum sensiblen Thema "Migration" verbunden und die NPD gab ihren fremdenfeindlichen Charakter hinter Worthülsen zu erkennen. Zum wiederholten male erhielt die rechtsextreme NPD in einer geheimen Abstimmung im Landtag 2 Stimmen mehr, als sie Sitze im Parlament hat. Insgesamt 14 Abgeordnete stimmten für den NPD - Kandidaten mit seinem rassistischen Programm. Aufgrund des Stimmenverhältnisses bei der Wahl können diese 2 Stimmen nur aus den Reihen der CDU oder der FDP kommen. Der NPD - Fraktionssprecher Holger Szymanski verkündete, dass es bald zu Übertritten von Abgeordneten zu seiner Fraktion kommen werde. Die Freude der NPD - Mitglieder war groß und nicht zu übersehen.
Das Präsidium des Landtags beschloss nach der Plenumssitzung, dass das Gebäude des sächsischen Landtages in Zukunft nicht mehr für Veranstaltungen der einzelnen Fraktionen genutzt werden darf, wie es in der Vergangenheit üblich war. Hintergrund ist die Anmeldung eines Treffens der NPD - Fraktion mit 400 Teilnehmern im Februar 2005 zum 60. Jahrestag der Zerstörung Dresdens. Die Neonazis hatten geplant das Parlamentsgebäude für eine Propagandaveranstaltung mit Rechtsradikalen aus dem gesamten Bundesgebiet zu missbrauchen. Weiter ging es mit Winfried Petzolds Forderung nach einer raumorientierten Volkswirtschaft, weil dadurch ein nationaler Aufbruch Sachsens möglich sei. Ihm folgte Jürgen Gansel, welcher feststellte, dass die BRD und Deutschland nicht identisch seien. In Bezug zur Pisa- Studie meinte er es komme immer mehr zur "Verluderung" der Sprache und Kultur und dadurch gehe das Gemeinschaftsgefühl des deutschen Volkes verloren. Zu dem Antrag der PDS- Fraktion "Auflage eines Programms gegen rechtsorientierte Einstellungen und kulturelle Verhaltensmuster bei Jugendlichen" meinte Gansel, dies diene nur dazu, hunderttausende Euro in den antifaschistischen Kampf- und "Verdummungsapparat" zu pumpen, damit letztendlich antideutsche Ressentiments bedient werden könnten. Bei der aktuellen Fragestunde konnten die NPD- Abgeordneten gar nicht genug über die Pirna- Demo erfahren, so wollten sie wissen, ob die Drahtzieher der linksradikalen Krawalle als "kriminelle Vereinigung" verboten werden, oder wie viele verletze Personen es gab und zu guter letzt die Kosten für den Freistaat. Bei der Debatte um die Maßnahmen der Staatsregierung zur Bekämpfung des Terrorismus, hetzte Apfel mal wieder gegen die multikulturelle Gesellschaft. Die terroristische Bedrohung gebe es nur, da seit Jahren die Schleusen der Überfremdung geöffnet seien. Weiter kam er dann zu der Feststellung, dass das wahre Antlitz der multikulturellen Gesellschaft die multikriminelle Gesellschaft sei. Apfel beendete seinen Redebeitrag mit der Beschwerde, dass niemand die Frage stelle, wie deutsche Patrioten vor "inländerfeindlicher" Gewalt geschützt werden können. Der sächsische Landtag erscheint im Dezember 2004 als ein "Hort des politischen Chaos" (Süddeutsche Zeitung, 11.12.2004), der scheinbar völlig damit überfordert ist, mit den Neonazis den richtigen Umgang zu finden.
Sehr treffend beschreibt der folgende Kommentar aus der Zeitung "Der Tagesspiegel" vom 10.12.2004 die Situation in Sachsen:
Schämen reicht nicht mehr
In Berlin, so hat sich Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt am Donnerstag in seiner Regierungserklärung beklagt, bezeichne man die flach ausgestreckte rechte Hand mittlerweile schon als "sächsischen Gruß" - er, Milbradt, "schäme" sich dafür. Dann mal kräftig weiter geschämt, lieber Ministerpräsident! Denn die Geschichte der parlamentarischen Peinlichkeiten in Deutschlands Südosten ist um ein weiteres dickes Kapitel fortgeschrieben worden: Bei der Wahl zum neuen sächsischen Ausländerbeauftragten erhielt der Kandidat der rechtsextremen NPD wieder zwei klandestine Stimmen aus dem Lager der Arrivierten. Das ist empörend. Denn aus dem parlamentarischen Halbdunkel wurde da ein brauner Kamerad aufgewertet, den die NPD gerne als "Rückkehrbeauftragten" für in Sachsen lebende Ausländer installiert hätte. Wer immer ihm seine Stimme gegeben haben mag - er hat sich damit für Ausländerfeindlichkeit in ihrer übelsten Variante stark gemacht. Wenn es ein "taktisches Votum" gegen die von Milbradt geführte schwarz - rote Koalition war - wie groß muss die Verbitterung gegenüber, ja, die Verachtung für diesen Regierungschef sein? Groß genug allemal, um die Arbeit der Koalition zu jeder Zeit zu torpedieren. Wenn nicht, dann hat sich das braune Gedankengut schon tiefer festgefressen, als auch Milbradt es glauben machen mag. Dann ist bald der Punkt gekommen, wo schämen allein nichts mehr nützt. Sachsen, hat der vor der Abstimmung gesagt, "ist ein weltoffenes Land und das wird auch so bleiben". Nach dieser Abstimmung ist das nicht mal mehr eine Worthülse. Es ist schlicht falsch. Georg Milbradt muss sich Gedanken machen, wie lange er die fatale Lage sich und seinem Land noch zumuten will.
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