FOCUS online, 24.06.2007
Nachdem Politikberaterin Gertrud Höhler in ihrem Vermietungsgeschäft mit der NPD "keinen Fehler" sieht, will die Universität Paderborn die Hochschulrätin schnell wieder loswerden – doch die stellt sich stur.
Während Gertrud Höhler noch plant, am kommenden Freitag auf einer Festveranstaltung der Universität Mannheim die Frage "Gibt es eine Glaubwürdigkeitsrendite?" zu diskutieren, weist die Wahrheitsliebe der bundesweit renommierten Literatur-Professorin selbst augenscheinliche Defizite auf. Zu dem Schluss jedenfalls kommen Hochschulverantwortliche im 400 Kilometer entfernten Paderborn, nachdem ihnen bekannt wurde, dass die 66-Jährige Büroräume im sächsischen Zwickau an die NPD vermietet.
Heftige Empörung an Paderborner Universität
Zunächst hatte die Beraterin des früheren Bundeskanzlers Helmut Kohl (CDU) und langjährige Vertraute des verstorbenen Bundespräsidenten Johannes Rau erklärt, der Anfang Mai für zweieinhalb Jahre abgeschlossene Mietvertrag mit dem NPD-Landtagsabgeordneten Peter Klose sei ohne ihr Wissen von Anwälten getroffen worden. Schon diese Darstellung löste an der Paderborner Hochschule heftige Empörung aus, als sich Höhler wenig später in den um allerhöchste Reputation bemühten Hochschulrat der Universität berufen ließ.
Als Höhler in einer "zweiten Version", so der Vorsitzende des Hochschulrates, Winfried Schulze, vergangenen Freitag einräumte, von Anfang an über alle Umstände des Mietverhältnisses "informiert gewesen zu sein", machte sich an der Universität der Domstadt und dem politischen Paderborn blankes Entsetzen breit.
Nun korrigiert der Rechtsnationale Klose Höhlers Darstellung noch um ein weiteres Detail, das die Einlassungen der plötzlich im schrägen Licht erscheinenden Beraterin um mehr als eine Nuance – quasi in eine dritte Version – befördert: Klose versichert gegenüber FOCUS Online, dass Kommunikations-Expertin Höhler den "Mietvertrag sogar persönlich unterschrieben hat".
"Das Miteinander von Christen und Juden wird konterkariert"
"Wie naiv oder arm oder geldgierig muss eine in den Medien als eloquente Verteidigerin der Demokratie geltende, auf Wirkung von Strategien und Öffentlichkeit spezialisierte Fachfrau sein, um einen solchen Mietvertrag in der NPD-Hochburg Sachsen abzuschließen?", fragt etwa Hubert Frankemölle, Vorsitzender der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit. Das Bemühen um Verständnis und Miteinander von Christen und Juden, so der emeritierte Theologieprofessor, werde durch die Mietgeschäfte Gertrud Höhlers mit der NPD "konterkariert".
Als Politikberaterin, so die Paderborner Landtagsabgeordnete Sigrid Beer (Grüne) gegenüber FOCUS Online, habe sich Höhler "selbst diskreditiert, wenn sie aus monetären Motiven alle Bedenken hinten anstellt und Neofaschisten in ihren Immobilien beherbergt".
Doch dem Drängen der um ihren Ruf besorgten Hochschule, auf einen freiwilligen Rückzug Höhlers aus dem ersten nordrhein-westfälischen Hochschulrat, gibt die Wuppertaler Pfarrerstochter nicht nach. Sowohl NRW-Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) als auch der Hochschulratsvorsitzende Schulze bissen mit ihrem Ansinnen bei Höhler bisher auf Granit. Zerknirscht räumte Pinkwart Ende der Woche ein, die "wissentliche Vermietung von Räumen an die NPD" sei "zwar nicht justiziabel, aber für mich auch nicht akzeptabel".
Keine juristische Handhabe gegen Höhler
Nach tagelangem Schweigen von Schulze vergangenen Freitag zur Rede gestellt, ließ Höhler den Münchner Historiker mit dem Hinweis abblitzen, die rechtsradikale NPD sei im sächsischen Landtag vertreten, keineswegs verboten, und ein "politischer Fehler" sei für sie nicht zu erkennen.
Obwohl es nach dem Hochschulfreiheitsgesetz keine juristische Handhabe gegen Höhler gibt, hat Pinkwart nach Informationen der Tageszeitung "Neue Westfälische" sein Düsseldorfer Ministerium beauftragt, das Verwaltungsverfahrensgesetz auf eine mögliche Pflichtverletzung Höhlers - falsche Erstinformation – hin zu prüfen.
Der Eifer des Liberalen hat seinen Grund. Pinkwart steht unter Druck, da die Gründung des ersten Hochschulrates im Land dem Bemühen der schwarz-gelben Landesregierung entspringt, den Hochschulen zwischen Weser und Rhein mehr Selbstständigkeit zu verleihen. Das neu geschaffene Gremium soll die Hochschule an Stelle der Landesregierung kontrollieren. Seit dieser "neuen Konstellation", so der Paderborner Hochschul-Rektor Nikolaus Risch lapidar, könne ein Uni-Chef ein Mitglied des Hochschulrates nicht zum Rücktritt auffordern.
Währenddessen ließ der bereits wegen Volksverhetzung vor Gericht zitierte Klose den NPD-Fraktionsvorsitzenden im sächsischen Landtag, Holger Apfel, "Frau Gertrud Höhler viel Standhaftigkeit" wünschen. Bevor Klose die CDU-Frau Höhler als Vermieterin gewinnen konnte, war er bei vier anderen Hausbesitzern abgeblitzt.
Von FOCUS-Redakteur Thomas van Zütphen, Düsseldorf
|