Jungle World, Nummer 32 vom 09. August 2007
In Dresden begingen Neonazis am Samstag einen »Sachsentag«. Ein Volksfest für Groß und Klein sollte es sein, mit Rednern, Bands und großem Kinderprogramm – eben mit allem, was die rechtsextreme Familie sich wünscht. Nur der Alkohol fehlte.
Obgleich das Wetter mit strahlendem Sonnenschein um vieles besser war als vor einem Jahr auf dem gleichen Gelände beim »Pressefest« der Deutschen Stimme, wollte die Party nicht recht in Gang kommen. Das lag offensichtlich daran, dass es in diesem Jahr nur Wasser und alkoholfreie Getränke zu trinken gab. Allgemein waren die Bedingungen für die Veranstalter ernüchternd. Die Pappritzer Schleusendeckel waren mit »No-Nazis«-Schriftzügen verziert, an der Tennishalle auf dem Festgelände prangte der Spruch »Nazis raus«. Und die üblichen Verbote von Waffen und rechtsextremen Symbolen wurden ergänzt durch ein Alkoholverbot; das Festival war nämlich als Kundgebung angemeldet worden, um die Nutzungsuntersagung der Stadt zu umgehen.
Das Programm verschob sich deutlich nach hinten. Gegen 16 Uhr, als die Veranstaltung begann, waren die ersten »Kameraden« bereits wieder abgereist. Die Höhepunkte, für die sie angereist waren, konnten sie nicht miterleben, etwa die US-amerikanische Mädchenband »Prussian Blue«, die erst gegen 21 Uhr auftrat.
Abgeschoben an den Rand des Geländes, war das »große Kinderprogramm« erst auf den zweiten Blick zu finden. Unter einem Pavillon wurde gebastelt, daneben gab es eine kleine Hüpfburg und eine Torwand, die von der NPD Franken ausgeliehen worden war.
Von der Polizei am Zugang zum Gelände durchsucht, mussten die Neonazis ihr Bier zurücklassen oder austrinken. So entstand direkt neben einer langen Kolonne Polizeiwagen eine große Freibier-Anlage, wo sich so mancher Neonazi volllaufen ließ. Erst danach durften die angeschwipsten Rechtsextremen das Gelände gegen 15 Euro Eintrittsgebühr betreten. Dort mussten sie dann mit alkoholfreiem Bier vorlieb nehmen.
Für den kleinen Hunger hatten die Veranstalter eine Gulaschkanone aufgefahren. Immerhin. Eine Reihe altmodisch anmutender Fahrzeuge in Olivgrün rundete das Bild ab. Für den technisch weniger versierten »Kameraden« lief im Hintergrund die Propagandamaschine. Die sorgte aber auch nur für begrenzte Begeisterung. So schrieb ein Teilnehmer in einem Neonaziforum: »Ist es euch mal aufgefallen, dass der Herr Apfel genau die gleiche Rede gehalten hat wie seit drei Jahren?« Insgesamt kamen etwa 500 fast ausschließlich jugendliche Neonazis zusammen. Ursprünglich hatte man mit 1 000 Teilnehmern gerechnet.
Der Veranstaltungsort, eine Wiese im beschaulichen und naturbelassenen Dresdner Vorort Pappritz, war im August vorigen Jahres bekannt geworden. Damals feierte die NPD dort ihr »Pressefest« mit etwa 5000 Teilnehmern. Dies gelang nur, da der Besitzer des Geländes, der Bauunternehmer Wolfgang Jürgens, einen persönlichen Feldzug wegen Baurechtsangelegenheiten gegen die Stadt Dresden führt und mit der NPD die Stadt ärgern will.
Der »Sachsentag« sollte eine abgespeckte Version des »Pressefests« werden. Offiziell als Veranstaltung der Jungen Nationaldemokraten (JN) betitelt, war dennoch von Beginn an klar, dass es sich um eine Angelegenheit der NPD handelte.
Bereits zur Jahrtausendwende lud die JN Sachsen zu Veranstaltungen unter dem Motto »Singen und Tanzen für Deutschland«. Hintergrund waren die polizeilichen Repressalien, die die Organisation von Neonazi-Konzerten erschwerten. Dadurch, dass sich politische Redner mit Neonazi-Bands abwechselten, sollte der Charakter einer »politischen Veranstaltung« gewahrt und so die Rechtslage zu Gunsten der Jungen Nationaldemokraten gewendet werden. Dieses Konzept wurde nun auf den »Sachsentag« übertragen. So sollte dieser zum Ersatz für das wegen logistischer und finanzieller Schwierigkeiten abgesagte »Pressefest« werden.
Die US-amerikanischen Zwillingsschwestern »Prussian Blue« waren als besonderer Höhepunkt angekündigt, daneben die skandinavischen Frauenbands »Asynia« und »Ferox« und die ostdeutschen Skinhead-Combos »Frontalkraft« und »Sachsonia«. Für den propagandistischen Gehalt sollten Redner wie der NPD-Vorsitzende Udo Voigt, der Fraktionsvorsitzende der NPD im sächsischen Landtag, Holger Apfel, Sebastian Richter von den »Jungen Nationaldemokraten« und Thomas Gerlach vom »Kampfbund Deutscher Sozialisten« sorgen.
Typisch für Dresden ist, dass eine derartige Veranstaltung fast ohne jeden Protest der Bürger stattfinden kann. Nur einige Anwohner aus Pappritz reaktivierten die anlässlich des »Pressefests« 2006 gegründete Initiative »Pappritz ist bunt«, feierten ein »Bürgerfrühstück« und improvisierten ein Straßenfest. Dass es den Initiatoren um den Dresdner Stadtrat Jan Kaboth (Bürgerfraktion) nicht nur um den Kampf gegen Neonazis geht, zeigen die von der Initiative geklebten Plakate mit Sprüchen wie »Stop! Keine Extremisten auf unserem Grund!« Auf dem Straßenfest selbst forderte Kaboth, ein Zeichen zu setzen gegen Extremismus, egal »ob von links oder von rechts«.
Antifas meldeten eine Gegendemonstration an, die direkt am Gelände des »Sachsentages« vorüberziehen sollte. Das Ordnungsamt verlegte die Demonstration aber in die Peripherie. Nichtsdestotrotz demonstrierten 200 Leute unter dem Motto »Switch off nazi music!« Die Sprecherin des Bündnisses, Jelena Schneider, sagte der Jungle World: »Wir erachten es als Erfolg, so kurzfristig in Dresden 200 Menschen erreicht zu haben, die sich auch von den Schikanen des Ordnungsamtes und den Neonazis, die sich in Pappritz in großer Zahl recht frei bewegen konnten, nicht abschrecken ließen.« Aber sie kritisierte: »Verärgert sind wir über die Ignoranz, mit der weite Teile der so genannten Zivilgesellschaft solchen Nazigroßevents in Dresden begegnen.«
Von Chris Fisher und Peter Conrady
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