Sächsische Zeitung vom 08.08.2007.
Der Chef löst Bielataler Mittelalter-Gruppe auf. Der Grund: Hier kämpften auch Mitglieder der früheren SSS und der NPD mit.
Männer in Kettenhemden und mit heruntergeklapptem Visier gehen im Rittergut Bielatal aufeinander los. Schwerter klirren.
Doch jetzt sind die Klingen verstummt. Die „Rolandslanze“ ist zerbrochen. Die Interessensgemeinschaft gibt es nicht mehr. Und das liegt vor allem an drei der rund zwölf Mitglieder: Thomas Rackow (29) aus Struppen, Ferry Weihs (28) aus Pirna und Hartmut Gliemann (42) aus Sebnitz. Sie sind keine unbeschriebenen Blätter im Buch über die rechtsextreme Szene im Kreis. Die beiden ersten sind verurteilte Mitglieder der ehemaligen Skinheads Sächsische Schweiz (SSS). Der damalige Rädelsführer Rackow ist heute Kreisgeschäftsführer der Jungnationalen (JN), Gliemann Vizechef der Kreis-NPD.
Alle drei gehörten zuletzt der Rosenthal-Bielataler „Rolandslanze“ an, die sich mit dem hochmittelalterlichen Leben um 1207 und Schwertkämpfen beschäftigte. Gehörten! Denn ihr Chef, Roland Wichmann, hat die Gruppe wegen ihnen jetzt mit sofortiger Wirkung aufgelöst. Auch die von Rackow betreute Internetseite gibt es nicht mehr. „Ich will nichts mit der rechten Szene zu tun haben“, begründet der 38-jährige Wichmann alias Ritter Roland von Thunaustauff. Berufliche Zukunftsangst klingt mit. Schließlich ist der gebürtige Rheinland-Pfälzer und selbstständige Schauspieler seit 2000 auf der Festung Königstein und auch im Dresdner Hoftheater tätig.
Dieser Schritt gegen Rechts erinnert stark an den kürzlichen Ausschluss des Schönaer NPD-Gemeinderates Mario Viehrig aus dem örtlichen Heimatverein (die SZ berichtete). Doch hier wirft er Fragen auf: Warum kommt das Ende jetzt und so plötzlich? Schließlich sind die drei schon eine Zeit lang dabei. Aber sowohl Wichmann als auch Gemeinderätin Karin Neunaber (48, parteilos), auf deren Rittergut in Bielatal die Gruppe montags übte, wollen die Verbindungen von Rackow, Weihs und Gliemann zur SSS und NPD nicht gekannt haben, sagen sie. Erst das Kulturbüro Sachsen in Pirna habe ihnen jetzt die Augen geöffnet. Dazu die Geschehnisse rund um die Brausensteiner Mühle im Dorf. Dort haben Rackow und Co. seit Jahreswechsel einen Szenetreff aufgebaut.
„Wir waren zu naiv und blauäugig, haben uns über Hintergründe gar keine Gedanken gemacht“, geben sich Wichmann und Neunaber selbstkritisch und fühlen sich überfahren. Wichmann: „Ich habe mich nur darauf konzentriert, dass ich mit der Gruppe irgendwann mal so richtig auftreten kann.“
Nicht mal nach dem Festumzug zur 650-Jahr-Feier 2006 in Rosenthal-Bielatal, in dem die Gruppe samt Weihs, Gliemann und Rackow mitgelaufen ist (siehe Foto), hätte sie irgendjemand auf deren Verstrickungen angesprochen. Und auch beim geselligen Weintrinken seien die Politik oder persönliche Einstellungen nie Thema gewesen. Noch vor gut zwei Wochen, als Gliemann in der Rolle des Ulrich von Falkenstein beim Ritterfest in Bielatal zum Ritter geschlagen wurde, habe Wichmann dessen Nachnamen nicht mal gekannt. Dabei war er auch schon beim Zeltlager zum Kirnitzschtalfest 2006 aufgetaucht.
Wie soll es nun weitergehen? Wichmann weiß es noch nicht. Gliemann dagegen will auf jeden Fall auf privater Ebene weitermachen und als Einzelperson an Festen teilnehmen, sagte er auf SZ-Nachfrage. Wie Gliemann bedauert auch Rackow, der einen schwedischen Krieger verkörperte, die Auflösung der Gruppe. Ihre Teilnahme sei ein reines privates Hobby gewesen und hätte keinen politischen Hintergrund gehabt, betonen sie. Doch das Interesse der NPD/JN am Mittelalter ist bekannt. Regelmäßig finden Feldschlachten statt und auch eine AG Brauchtum gibt es.
Marco Mach und Daniel Förster
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