Sächsische Zeitung, Görlitz, Freitag, 27. August 2004, Von Cornelia Sommerfeld und Frank Seibel
Mit einer friedlichen und ruhigen Demonstration gegen den DSU-Abgeordneten Jürgen Hösl-Daum hat gestern Nachmittag die fünfjährige Wahlperiode des neuen Stadtrats begonnen. Etwa 70 junge Leute protestierten zunächst vor dem Rathaus, dann mit Transparenten im Sitzungssaal. Oberbürgermeister Rolf Karbaum (parteilos) ließ sie gewähren und bedankte sich hinterher ausdrücklich bei den Demonstranten - für die klare Stellungnahme gegen Hösl-Daums revisionistische Aktivitäten in Polen und für das ruhige Verhalten. Lediglich als der OB den Name des neuen Abgeordneten laut aufrief, waren Buh-Rufe laut geworden.
Der neu gewählte Stadtrat hatte kurz nach der Wahl in Polen mit drastischen Plakaten provoziert, auf denen er Sühne für Vertreibung und Mord an Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg forderte.
Als Hösl-Daum seinen Einzelplatz in der letzten Reihe einnahm, sah er sich nicht nur den Plakaten der Demonstranten ausgesetzt. Auch eine Traube polnischer Journalisten umlagerte ihn. Hösl-Daum tat unbeeindruckt, wirkte aber unsicher. Während der Sitzung ist kein Redner auf den rechtsgerichteten Abgeordneten eingegangen. Oberbürgermeister Rolf Karbaum betonte in seiner Eröffnungsrede, dass das Zusammenwachsen der Europastadt Görlitz/Zgorzelec ein Hauptziel der stadtpolitischen Arbeit bleiben müsse, vermied aber jede Anspielung. "Wir müssen aus der Randlage, in der wir bis zur EU-Erweiterung waren, mitten nach Europa vorstoßen", sagte Karbaum. Er hoffe auf wirtschaftliche Verflechtungen zwischen deutschen und polnischen Unternehmen in der neuen Wahlperiode.
Karbaum betonte, dass die politischen Bedingungen schon in den zurückliegenden Jahren schwieriger gewesen seien als in den ersten zehn Jahren nach der Wende.
Hauptziel müsse nun sein, zu bewahren, "was uns ans Herz gewachsen ist". Er plädierte dafür, für die Hochschule zu kämpfen, die eine wichtige Einrichtung für die Stadt sei. Als Meilenstein in den kommenden fünf Jahren nannte er die geplante Fertigstellung des Berzdorfer Sees. Er werde zusätzliche Touristen anlocken.
Trotz schlechter Vorzeichen will Karbaum am Brückenpark festhalten und fordert, Görlitz als Weltkulturerbe anzuerkennen.
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