Sächsische Zeitung
Freitag, 16. November 2007
Der Autor Toralf Staud erklärt bei einer Lesung in Freital, warum die rechtsextreme Partei so gefährlich ist.
Nach anderthalb Stunden platzt dem Wortführer der Rechtsextremen der Kragen. „Ein ungeheuerlicher Vorfall, so viel zum Thema Demokratie“, ruft Jens Bauer, der Dresdner NPD-Chef, lautstark in den Saal. Dann tritt die Handvoll NPD-Mitglieder und -Sympathisanten, darunter NPD-Kreischef Dirk Abraham, den Rückzug an. Aus Protest. Was den jungen Männern so sauer aufgestoßen ist: Vor dem Stadtkulturhaus Freital hinderten die Ordnungskräfte rund 20 polizeibekannte rechte Krawallmacher am Eintritt – zu einer Lesung, die es aus Sicht der Radikalen in sich hatte. Der Berliner Journalist und freie Autor Toralf Staud liest am Mittwochabend in der „Laterne“ aus seinem Buch „Moderne Nazis. Die neuen Rechten und der Aufstieg der NPD“.
Rund 60 Leute lauschen den Worten des 35-Jährigen, darunter auch einige Rechte, die in den hinteren Reihen einen geschlossenen Block bilden. Staud seziert die NPD, nimmt die menschenverachtende und rassistische Ideologie der Partei auseinander.
Nicht auf Augenhöhe
Einige seiner Hauptthesen lauten: „Gefährlich ist die Partei nicht, weil sie in den Bundestag oder gar ins Kanzleramt einziehen könnte. Gefährlich ist die NPD, weil sie an einer Faschisierung der ostdeutschen Provinz arbeitet.“ Weil sich dort eine ähnliche Zivilgesellschaft wie im Westen noch nicht herausgebildet hat, hätten es die Rechten leicht. Und trotzdem sollte die Partei nicht verboten werden, meint Staud. Damit würde man deren Mitglieder zu Märtyrern machen. Stattdessen empfiehlt er einen „korrekten Umgang“ mit den Nazis und auch eine argumentative Auseinandersetzung. Aber nicht auf Augenhöhe. Schließlich seien die Rechtsextremen ihrerseits nicht bereit, auf Augenhöhe zu diskutieren. Auch sei mit korrektem Umgang kein Kuschelkurs gemeint. Im letzten Kapitel seines Buches gibt Staud eine kleine Gebrauchsanleitung, wie man mit den extremen Rechten umgehen sollte – zum Beispiel indem Vereine und andere Organisationen die NDP-Mitglieder ausgrenzen. Es sei ja letztlich die NPD selbst, die sich ausgrenzt, weil sie weder die Menschenrechte noch das Grundgesetz anerkennt.
In der anschließenden Diskussion, an der sich die noch im Saal verbliebene NPD-Gruppe trotz Stauds ausdrücklichem Angebot nicht beteiligen möchte, geht es dann unter anderem darum, warum eine Partei wie die NPD „in der alten Bundesrepublik zugelassen werden konnte?“, wie der Hainsberger Gerd Ehrlich fragt. Staud muss ihm erklären: Parteien werden in Deutschland nicht zugelassen, sie gründen sich einfach. In der DDR hätte das nie passieren können, argumentiert Ehrlich. Und trotzdem sei die DDR nicht jener antifaschistische Staat gewesen, als der sie sich gab, ergänzt Staud. Eine ehrliche Auseinandersetzung mit dem Dritten Reich habe gefehlt. Man habe sich ja auf der „historisch richtigen Seite“ befunden.
Klaus Pollack, SPD-Fraktionschef im Stadtrat, erinnert daran, wie oft der Ruf nach der Politik laut wird, wenn es darum geht, gegen die Umtriebe der NPD etwas zu unternehmen. Staud jedenfalls hat damit ein Problem: „Es ist nicht die Aufgabe der Politiker, die Demokratie hochzuhalten“ – gefragt sei die ganze Zivilgesellschaft.
Vorschlag: Bürgerhaushalt
Wie aber kann man sie stärker fördern? Staud räumt ein, kein Patentrezept zu haben. Aber er macht einige Vorschläge: Wie wäre es zum Beispiel mit einem Bürgerhaushalt, der wenigstens einen kleinen Teil des Stadthaushaltes einnimmt, und der nach direkter Diskussion mit den Bürgern für deren Wunschprojekte zur Verfügung steht? Oberbürgermeister Klaus Mättig (CDU), der die Idee als Gast im Publikum vernimmt, hört aufmerksam zu.
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