Von Gunnar Saft

Der sächsische Landtag steuert in der aktuellen Legislaturperiode auf einen neuen Minusrekord zu: Noch nie zuvor sind so viele Abgeordnete ins Visier der Justiz geraten wie seit der letzten Wahl im Herbst 2004 .

Nach SZ-Recherchen ermittelte die sächsische Justiz bisher in mindestens 20 Fällen wegen vermuteter Verfehlungen gegen einzelne Parlamentarier. Mehrfach kam es anschließend zu einer Anklage und zu Verurteilungen.

Betroffen ist unter anderem die CDU-Sozialexpertin Kerstin Nicolaus. Die wurde im Herbst 2007 zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen verurteilt, weil sie bei der Verwendung von staatlichen Fluthilfemitteln betrogen hatte. Inzwischen prüft die Staatsanwaltschaft in Zwickau neue Vorwürfe, wonach Nicolaus als ehrenamtliche Bürgermeisterin von Hartmannsdorf Fahrtkosten unkorrekt verwendet hat. Ihren Bürgermeisterposten musste sie kürzlich räumen.

Wiederholt mit der Justiz konfrontiert wurde auch Klaus-Jürgen Menzel. Der mittlerweile aus der NPD-Fraktion ausgetretene Politiker wurde bereits wegen Falschaussage verurteilt und wegen unerlaubten Waffenbesitzes angeklagt. Jetzt droht neues Ungemach, da er keine oder nur unzureichende Sozialabgaben für seine Mitarbeiter bezahlt haben soll.

Bevor sächsische Landtagsabgeordnete vor Gericht landen, muss allerdings erst ihre Immunität aufgehoben werden. Der dafür zuständige Parlamentsausschuss kommt das nächste Mal am 19. Februar zusammen. Entschieden wird dann nicht nur über Menzel, sondern auch über die Aufhebung der Immunität des CDU-Abgeordneten Andreas Grapatin. Der war im Sommer 2007 mit 1,16 Promille Alkohol im Blut am Steuer seines Autos erwischt worden. Die Staatsanwaltschaft kam bisher aber nicht zum Zug, sogar seinen Führerschein darf Grapatin vorerst behalten.

Die Aufhebung der Immunität ist die letzte Hürde, um den Weg für eine Anklage gegen ein Parlamentsmitglied durchzusetzen. Seit Herbst 2004 war die Justiz bei ihren 20 Ermittlungen in sieben Fällen erfolgreich. Betroffen waren neben Nicolaus und Menzel die NDP-Abgeordneten Holger Apfel und Winfried Petzold. Beide mussten sich wegen des Verdachts der Beleidigung verantworten. Demnächst droht nun Grapatin und erneut Menzel ein Auftritt im Gerichtssaal.

Der Aufhebung seiner Immunität kam dagegen Ende 2006 der damalige NPD-Abgeordnete Matthias Paul zuvor, indem er sein Landtagsmandat zurückgab. Vor einer Anklage wegen des Besitzes von Kinderpornografie, über die in den nächsten Tagen verhandelt werden soll, rettete ihn das aber nicht. Glücklos, aber ohne Anklage agierte sein Nachfolger Peter Klose. Kaum hatte der Pauls Mandat übernommen, wurden monatlich rund 1000 Euro seiner Abgeordnetendiät gepfändet und an Gläubiger verteilt.