3. Juni 2008, Sächsische Zeitung, Pirna
Platte Parolen – und sonst?
Von Jana Klameth
Die NPD kämpft mit einer Plakateflut um Stimmen der Wähler. Dabei hat sie nicht mal ein Programm für den neuen Landkreis.
Da ist sie wieder. Mit einer wahren Plakateflut überschwemmt die NPD derzeit das Land – und dabei vor allem den Landkreis Sächsische Schweiz und den Weißeritzkreis.
Die Kreistags-Bilanz
„Wählen gehen – Bürgerwut in den Kreistag!“ – so lautet einer der Slogans. Im Pirnaer Kreistag war in den letzten vier Jahren von Bürgerwut nichts zu spüren, obwohl die NPD dort mit fünf Abgeordneten vertreten ist. Sie ergriffen selten das Wort, in der Regel stimmten sie den Anträgen der anderen Fraktionen begründungslos zu. Die Statistik des Landratsamtes weist in den vier Jahren 24 NPD-Anträge aus, von denen lediglich sechs im Kreistag behandelt wurden; die anderen zog die Partei selbst zurück oder sie wurden nach Schreiben der Verwaltung hinfällig. Zwei Anträge wurden beschlossen – einer zur Berufung eines neuen Mitglieds ihrer Fraktion in einen Ausschuss und einer zum Erhalt des Begriffs „Sächsische Semmeringbahn“. Drei Anträge wurden abgelehnt. Dabei wollte die NPD-Fraktion vor allem ihr Einflusspotenzial im Kreistag erhöhen. Mehr Aktivitäten entwickelte die Fraktion beim Stellen von Anfragen. Oft ging es dabei um das Lieblingsthema der Rechten: um Ausländer. Die Antworten scheinen Fraktionschef Müller überzeugt zu haben. „Wir haben in der Sächsischen Schweiz kein Ausländerproblem“, sagte er gegenüber der SZ. Nur: Warum hängen dann allerorten Plakate mit dem Slogan „Der Osten wählt deutsch!“?
Die Kandidaten
Im Gegensatz zu den demokratischen Parteien hat die NPD ihre Kandidaten still und heimlich nominiert. Die Presse war zu keiner Veranstaltung eingeladen. Am 20.April informierte Kreisgeschäftsführerin Carmen Steglich in einer Neun-Zeilen-Pressemitteilung lediglich, dass 33 Kandidaten für die Kreistagswahl nominiert worden seien. Damit stellt die NPD im Parteienvergleich die geringste Anzahl an Kandidaten – ein Indiz für die dünne Personaldecke. Zudem treten gleich drei Familien mit mehreren Personen an. Bei der Kandidatennominierung wird auch die Nähe der NPD zu den militanten Neonazis deutlich: Unter den Kandidaten befinden sich sogar verurteilte SSS-Mitglieder.
Das Programm
Inhaltlich hat die NPD nach eigenen Aussagen keinen Plan. „Es gibt kein Kreisprogramm“, sagt Müller. Auch der Kandidat für den Landratsposten – Olaf Rose aus Bochum – ist hier zu Lande völlig unbekannt und nicht mit inhaltlichen Ideen aufgefallen. Im Internet nennt er als ein Motiv die deutsche Außenpolitik, die ihm nicht gefällt. Was das mit der Region hier zu tun hat, bleibt sein Geheimnis.
Der Wahlkampf
Der NPD-Wahlkampf ist eine Materialschlacht. In vielen Dörfern ist die NPD die einzige Partei, die mit Plakaten wirbt. Viele Touristen wären ernsthaft beunruhigt angesichts der rechten Parolen, heißt es aus dem Kreis der Bürgermeister. Auf scharfe Kritik stößt vor allem die weiße Rose – eigentlich Zeichen des Widerstands gegen den Nationalsozialismus –, mit der der NPD-Landratskandidat wirbt. Zusätzlich zu den Plakaten setzt die NPD auf Infostände. „Auf Diskussionen lassen sich die Rechten jedoch selten ein“, schildert Petra Schickert vom Kulturbüro Sachsen eigene Erfahrungen. Vielmehr seien jene, die die Thesen der Rechten hinterfragten, beschimpft worden.
Die Mitglieder
Die Anzahl der Parteimitglieder hat sich in den letzten Jahren kaum verändert. Rund 140 Mitglieder hat die NPD im Kreisverband Sächsische Schweiz-Osterzgebirge nach Angaben ihres Vorsitzenden Johannes Müller, davon knapp 100 in der Sächsischen Schweiz. Dazu kommen freie Kameradschaften. Die Zahl rechtsextrem motivierter Gewalttaten ist 2007 landesweit gestiegen, in der Region dagegen gesunken. „Das ist zwar erfreulich“, sagt Sebastian Reißig von der Pirnaer Aktion Zivilcourage. Doch dürfe das nicht dazu führen, die NPD zu unterschätzen. Zum einen gibt es nach seiner und der Einschätzung des Kulturbüros Sachsen viele Stammwähler. Zum anderen würden die einfachen Parolen immer wieder Frustwähler begeistern, die die NPD als einzige Alternative zu den anderen Parteien sehen. Auf dieses Bauchgefühl setze die NPD mit Wahlwerbung wie „Höchststrafe für CDU-Versager“. Angesichts der Kreistags-Bilanz stellt sich die Frage, wer hier versagt.
Die Gegenwehr
Vor allem in der Sächsischen Schweiz hat sich eine große Sensibilität im Umgang mit rechtsextremistischen Aktivitäten entwickelt. Seit den 1990er-Jahren gibt es Initiativgruppen und mobile Beratungsteams. Seit Sommer 2005 arbeitet die Steuerungsgruppe Extremismus im Landkreis Sächsische Schweiz, in der Vertreter von Landkreis, der Stadt Pirna, der Polizei, der Bildungsagentur und anderen Behörden mitwirken.
|