Sächsische Zeitung
Mittwoch, 11. Juni 2008
Bei der Kreistagswahl erzielte die NPD vor allem in Tourismuszentren zweistellige Ergebnisse. Die Stimmen kommen meist von Stammwählern.
Von Thomas Möckel
Nach dem Wahlergebnis der NPD bei der Kreistagswahl in der Sächsischen Schweiz vor allem in den Tourismushochburgen ringen Politiker, Gemeinden und Tourismusfachleute um Erklärungen, wie die Resultate zustande kamen. In Kirnitzschtal, Königstein, Rathmannsdorf, Bad Schandau, Reinhardtsdorf-Schöna und Kurort Rathen kamen die Rechten auf weit über zehn Prozent. Verstehen kann das Wahlergebnis kaum einer. Einige vermuten, dass viele Wähler aus Protest für die Rechtsextremisten stimmten. Doch in vielen Orten sind die Stammwähler der NPD fest in der Bevölkerung verankert.
Der neugewählte Landrat Michael Geisler (CDU) hat noch keine Antwort auf das NPD-Wahlergebnis gefunden. „Ich verstehe es nicht, zumal gerade in diese Orte viele öffentliche Gelder für eine funktionierende Infrastruktur geflossen sind. Zudem gibt es dort ein funktionsfähiges Gemeinwesen“, sagt er. Insofern sei ihm völlig unklar, warum Kommunalpolitiker mit diesem Votum abgestraft wurden.
Deutlich wird das in Kurort Rathen. 10,9 Prozent der Wähler stimmen hier für die NPD. Die Wahlbeteiligung lag bei 70 Prozent. „Ich weiß nicht, warum hier so viele NPD gewählt haben. Schließlich leben wir hier vom Tourismus, und die Lebensbedingungen haben sich nicht verschlechtert“, sagt Bürgermeister Thomas Richter (parteilos).
Kein Programm, viele Stimmen
130000 Übernachtungen zählte der Kurort 2007, alles ist gepflegt und versprüht einen einladenden Charme. Im Ort ist Richter niemand bekannt, der eine rechtsextremistische Gesinnung offen zur Schau trägt. „Mir hat sich noch keiner offenbart“, sagt er. Er glaubt auch nicht daran, dass alle, die rechts wählen, überzeugte Rechte sind. „Vielleicht ist es derzeit nur schick, NPD zu wählen“, sagt er.
Für Geisler allerdings sind die hohen NPD-Ergebnisse kein Zufall, sondern ein Zeichen für verankertes rechtsextremistisches Potenzial: „Protestwähler kommen hinzu, sind aber nicht die Mehrheit.“
So sieht es auch Petra Schickert vom mobilen Beratungsteam des Kulturbüros Sachsen. „Gerade in Rathmannsdorf, Kirnitzschtal oder Reinhardtsdorf-Schöna gibt es feste NPD-Stammwähler“, sagt sie. Dennoch sei das Ergebnis für sie schockierend. „Die Rechten haben keine Erfolge vorzuweisen und kein Programm für die Kreistagswahl. Trotzdem bekamen sie viele Stimmen“, sagt sie und kommt zu dem Ergebnis: Den Leuten ist durchaus bewusst, dass sie NPD wählen und damit der Region schaden.
Zudem manifestiert sich das Wahlergebnis auch an bestimmen Personen – so in Reinhardtsdorf-Schöna. Der ehemalige Chef des Heimatvereins Schöna, Mario Viehrig, und der Heizungsbauer Michael Jacobi sind fest im Dorfleben verwurzelt. „Bei vielen war es eine reine Personenwahl. Ohne Jacobi als Kreistagskandidat wäre die NPD vielleicht auf zehn Prozent gekommen“, sagt Bürgermeister Olaf Ehrlich (Freie Wähler). So aber stimmten 25,2 Prozent für die NPD. Allerdings lag die Wahlbeteiligung nur bei 54,7 Prozent.
Ein weiterer Grund für das Abschneiden der NPD ist die große Zahl Nichtwähler. Nicht einmal jeder zweite Wahlberechtigte ging zur Wahlurne. Die NPD verfügt laut Petra Schickert aber über gute Strukturen. „Die Parteimitglieder und deren Anhänger gehen geschlossen wählen“, sagt sie.
Trotzdem mehr Touristen
Geschuldet ist das NPD-Wahlergebnis auch dem Grund, dass die großen Volksparteien im ländlichen Raum wenig eigene Akzente setzten. „Es ist ihnen nicht gelungen, ihre Ziele zu kommunizieren“, sagt Ralf Thiele, Geschäftsführer von Weka-Touristik, die mehrere Hotels in Bad Schandau betreibt.
Für die Tourismuswirtschaft ist das Abschneiden der NPD zunächst eine Katastrophe. Schon jetzt machen Schlagzeilen über die braunen Nester in der Sächsischen Schweiz bundesweit die Runde.
Dass jetzt massiv Gäste ausbleiben, befürchtet allerdings niemand. „Auf den Tourismus hat das Wahlergebnis keine Auswirkungen“, sagt Klaus Brähmig, Vorsitzender des Tourismusverbandes Sächsische Schweiz. Das belegen auch nüchterne Zahlen: In Reinhardtsdorf-Schöna beispielsweise stieg die Zahl der Übernachtungen in den letzten Jahren stetig an.
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