Jungle World Nr. 25 vom 19.06.2008
Die NPD war bei den sächsischen Kommunalwahlen erfolgreich. Zum ersten Mal in ihrer Geschichte zieht die Partei in alle Kreistage eines Bundeslands ein. Konservative Politikwissenschaftler verharmlosen das Ergebnis.
von Judith Lauer und Michael Bergmann
Im Dresdner Landtag hatte sich die NPD immer wieder gegen die sächsische Kreisreform ausgesprochen. Dieser zufolge werden ab August 2008 die Landkreise von 22 auf zehn und die kreisfreien Städte von sieben auf drei verringert. Die Kommunalwahlen, die schon gemäß der neuen Ordnung abgehalten wurden, brachten der Partei jedoch einen großen Erfolg.
Mit einem Gesamtergebnis von 5,1 Prozent der Stimmen gelang es der NPD erstmals seit ihrer Gründung, in alle Kreistage eines Bundeslands einzuziehen. In der Hälfte aller Kreise erreichte sie den Fraktionsstatus. Im Vergleich zu den vorangegangenen Kommunalwahlen hat sie ihr Ergebnis vervierfacht.
Die führenden Köpfe der Landtagsfraktion wie Holger Apfel und Jürgen Gansel werden ebenso ein Mandat übernehmen wie Aktivisten aus der militanten Neonaziszene. Bestes Beispiel für diese ist Olaf Martin, ein zukünftiger Abgeordneter im Vogtlandkreis. In seinem Geschäft namens »Ragnarök« werden die Kameraden in Mylau und Umgebung nicht nur mit Musik und Bekleidung, sondern auch mit Sturmhauben und Baseballschlägern ausgerüstet. Mit Abgeordneten wie dem wiedergewählten Sebnitzer Arzt Johannes Müller hält die NPD allerdings auch ihr bürgerlich-biederes Image aufrecht.
Die Mehrzahl der kommunalen Vertreter der Partei war bisher recht unauffällig. Sie traten weder mit eigenen Anträgen noch mit Wortmeldungen zu laufenden Debatten in Erscheinung und stimmten meist wie die Vertreter der CDU ab. Johannes Müller vertritt die Partei im Landtag, im Kreistag Sächsische Schweiz sowie im Sebnitzer Stadtrat. Er gibt sich unscheinbar und sachlich. Sein Landtagsmandat dürfte ausschlaggebend gewesen sein für die Wiederwahl in der Kommune. Auch Michael Jacobi bleibt ein Mitglied der NPD-Fraktion in dem Kreistag. Obwohl er dort zusammen mit Klaus Rackow und Steffen Richter stets nur wortkarg hinter Johannes Müller saß, erhielt er in dem kleinen Kaff Reinhardtsdorf-Schöna 25 Prozent der Stimmen. In der außerparlamentarischen Arbeit ist der NPD-Kreisverband indes rege. Immer wieder greift er gemäß der NPD-Ideologie in Flugblättern den Sozialabbau und die Asylpolitik an, daneben widmet er sich auch lokalen Themen und aus strategischen Gründen der Jugendarbeit.
Ein anderes Szenario bietet sich im neuen Landkreis Leipzig, zu dem nun auch der ehemalige Muldentalkreis gehört. Drei Sitze erhält die NPD dort, ebenso viele wie bei der Kommunalwahl 2004 im Muldentalkreis. Damals fielen die Vertreter der Partei im Kreistag zunächst kaum auf, und wenn, dann nur mit unstrukturierten Redebeiträgen, die sie trotz Vorlagen nur stockend vortrugen. Inzwischen hat sich das geändert: Die NPD-Abgeordneten teilen sich die Arbeit, so dass es ihnen gelingt, zu jedem Tagesordnungspunkt zu sprechen. In jeder Bürgerfragestunde im Kreistag melden sich zudem NPD-Mitglieder oder – Anhänger zu Wort. Der NPD gelingt es dadurch, Stärke und Sachkompetenz vorzutäuschen. Ohne rhetorische Übungen und Schulungen zu kommunalpolitischen Vorgängen stünden die Abgeordneten allerdings noch da, wo sie angefangen haben. Diese Förderung verdanken sie der vor fünf Jahren gegründeten Kommunalpolitischen Vereinigung (KPV) der NPD. Ihr Ziel ist es, »insbesondere den NPD-Landes- und Kreisverbänden bereits im Vorfeld von Kommunalwahlen beratend zur Seite zu stehen, unerfahrenen Kameraden die Scheu vor Kandidaturen zu nehmen, einheitliche kommunalpolitische Strategien zu entwickeln und damit die Anzahl der kommunalen Mandate erheblich zu erhöhen«. In den anderen Landkreisen hat die Arbeit der KPV bisher jedoch keine Erfolge gezeigt.
In den großen sächsischen Tageszeitungen werden derweil zu den Wahlergebnissen der NPD immer die gleichen Experten befragt. Dabei tut sich der Extremismustheoretiker Eckhard Jesse besonders hervor. Er lässt keine Gelegenheit aus, zu betonen, dass »nicht Antifaschismus, sondern Antiextremismus« das »Gebot der wertgebundenen Demokratie« sei. Nach dem Einzug der NPD in den sächsischen Landtag im September 2004 sprach Jesse von einer vorübergehenden Erscheinung, die das Ergebnis einer Protesthaltung sei. Den Zugewinn von mehr als 30 neuen Mandaten für die NPD in den sächsischen Kreistagen legt Jesse nun als Zeichen dafür aus, dass die Hochphase der Partei vorüber sei. Denn die Neonazis haben seiner Meinung nach die Hälfte ihrer Stimmen im Vergleich zu den vorherigen Landtagswahlen verloren.
Auch der Dresdner Politikwissenschaftler Werner Patzelt vergleicht das NPD-Ergebnis lieber mit den Landtagswahlen als mit den vorangegangenen Kommunalwahlen. Im Gegensatz zu Jesse kommt er jedoch zu der Einschätzung, dass sich die Zahl der Stimmen für die NPD stabilisiert hat. Seit nunmehr vier Jahren fordert Patzelt mit Nachdruck, die sächsische CDU solle mit einem größeren Maß an Patriotismus den »rechten Rand« zurückgewinnen. Auf die Frage, wie man den erneuten Einzug der NPD in den sächsischen Landtag 2009 verhindern könne, antwortete Patzelt wenige Tage nach den Kreistagswahlen in der Sächsischen Zeitung: »Der CDU möchte ich als vordringliche Aufgabe ans Herz legen, den rechten Rand sauber zu kriegen. Mein Rat an die übrigen demokratischen Parteien lautet: Behindert die CDU nicht dabei, am rechten Rand der NPD die Wähler wegzufischen.«
Solche Äußerungen empören den sächsischen Landesvorsitzenden des DGB, Hanjo Lucassen. »Die Zeit des Ignorierens und Relativierens muss endlich vorbei sein«, sagte er im Gespräch mit der Jungle World. Das hohe Wahlergebnis zeige zum wiederholten Male, »dass die NPD in einigen Regionen tief verankert ist.« Lucassen zufolge sollten die Wahlen zum Anlass genommen werden, um noch entschiedener gegen die Zunahme einer rechtsextremen Gesinnung in der Bevölkerung zu kämpfen. Eine zivilgesellschaftliche Initiative, die sich seit einigen Jahren diesem Ziel widmet, ist die Gruppe »Bürger Courage«. Einer ihrer Gründer, Tobias Rademacher, gibt zu bedenken: »Das Problem der Lösungsvorschläge von Patzelt und Jesse ist, dass sich die CDU sonst nicht klar und laut genug gegen Rechtsextremismus in Sachsen positioniert. Das ist um so schlimmer, weil es, wie sich an Fällen wie den Bundestagsabgeordneten Nitzsche oder Brämig zeigt, in der CDU manchmal selbst Probleme gibt, sich klar von rechtsradikalen Positionen in den eigenen Reihen abzugrenzen.« Chris Fischer vom Internetprojekt »Nazis in den Parlamenten« geht noch weiter: »Die Positionen der sächsischen CDU und ihrer Berater sorgen seit Jahren dafür, dass die NPD-Themen zur gesellschaftlichen Normalität werden und Neonazis sich weiter etablieren können.«
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