Sächsische Zeitung, 13.11.2008
Miese Umfragewerte und fehlender Zusammenhalt machen Sachsens Rechten zu schaffen - jetzt gehen sie aufeinander los.
Von Gunnar Saft
Dienstagvormittag im Dresdner Landtag: Um 11.20 Uhr lässt Jürgen Gansel, NPD-Abgeordneter und selbst ernannter Chefideologe der sächsischen Rechtsextremen, einen wichtigen Pressetermin absagen. Der Grund: Der 34-jährige Historiker war wenige Minuten zuvor im Parlamentsgebäude niedergeschlagen worden. Von einem seiner Kameraden und in den Räumen der NPD-Landtagsfraktion.
Der heftige Streit und die folgende Prügelei zwischen Gansel und dem parlamentarischen Berater der NPD-Fraktion, Peter Naumann, hatte zahlreiche Schaulustige in den zweiten Stock des Landtages gelockt. Die Auseinandersetzung endete schließlich mit einem kräftigen Schlag Naumanns. Gansels Gesicht ziert seitdem „eine dicke Lippe“, wie die NPD-Fraktion gestern bestätigte. Dort will man den peinlichen Vorfall nun herunterreden. So soll der Streitanlass eine „Petitesse“ gewesen sein. Beide hätten sich nur über eine „politische Frage“ nicht einigen können.
Aufmerksame Beobachter wissen es besser. Anhaltend miese Umfragewerte für die Rechtsextremen und wachsende Zwietracht unter den Kameraden sorgen überall für blank liegende Nerven. Bei Umfragen kam Sachsens NPD zuletzt auf 2,8 Prozent. Ein Minus von 6,4 Prozent gegenüber 2004. Bereits die Landtagswahl im kommenden Jahr könnte das Aus für die NPD-Parlamentarier bedeuten. Leute wie Gansel, die sich gern als politische Führer aufspielen, trifft der Frust der rechten Basis nun besonders hart. Sein Projekt Dresdner Schule, mit dem Gansel eine rechte Denk-Elite aufbauen wollte, hat ihm bisher nur einen Spottnamen eingebracht: „Dresdner Schüler“.
Misserfolge sorgen für Unruhe
Mitstreiter beklagen sich intern zudem über einen oft arroganten Tonfall. Auch geht Gansel etlichen Rechten mit langen Traktaten über Politik und Weltgeschichte auf die Nerven. Zuletzt verweigerte sich sogar die NPD-Fraktion einem Gansel-Text, in dem der künftige US-Präsident Barack Obama als „Kreuzungsprodukt“ eines Afrikaners und einer Weißen und dessen Wähler als „rassenbunte Anhängerschaft“ verunglimpft werden. Übel nimmt man Gansel aber auch eine Prügelei, bei der er im August vor einem Leipziger Lokal mit Pfefferspray gegen einen vermeintlichen Nebenbuhler vorgegangen sein soll. Die Staatsanwaltschaft entscheidet in Kürze, ob Gansel wegen gefährlicher Körperverletzung angeklagt wird. Mit dem von ihm gepflegten Bild eines Saubermanns wäre es dann endgültig vorbei.
Solche Misserfolge ihrer Spitzenkader sorgen nun bei Rechtsextremisten wie Peter Naumann, der als Eigenbrötler mit aufbrausendem Temperament selbst in den eigenen Reihen gefürchtet ist, für immer neue Spannungen. Naumann, ein wegen eines Sprengstoffanschlags verurteilter Terrorist, droht jetzt die Entlassung als Berater. Doch auch die bereits auf acht Abgeordnete reduzierte NPD-Fraktion hat Probleme. Nach dem Austritt von drei Abgeordneten und dem Rauswurf von Klaus-Jürgen Menzel, der wegen Waffenschmuggels bis März 2009 nicht an Landtagssitzungen teilnehmen darf, steckt man mitten in einer neuen Sinnkrise.
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