Sächsische Zeitung vom 25.02.2009
Mit fast 11 000 Anfragen seit 2004 halten Sachsens Landtagsabgeordnete die Staatsregierung auf Trab. Jetzt gibt es erstmals Kritik.
Von Gunnar Saft
Arbeitet Sachsen an geheimen Mikrowellenwaffen? Wo werden die Waffen produziert, und wo werden sie eingesetzt? Besitzt die Nachwuchsorganisation der FDP in Schwarzenberg Atomwaffen? Und dürfen Menschen aus dem Erzgebirge auf Werbeplakaten als „echte Holzköpfe“ verunglimpft werden?
Mit solchen Fragen wird Sachsens Staatsregierung regelmäßig konfrontiert, wenn die 124 Landtagsabgeordneten ihr verbrieftes Recht nutzen und auf Auskünften zu Themen bestehen, die zuvor ihr Interesse geweckt haben. Per Gesetz ist die Regierung zu einer schriftlichen Antwort verpflichtet, auch wenn die mitunter merkwürdig klingt: Nein, der Regierung liegen keine Erkenntnisse über atomare Waffen in der Hand von Sachsens Jungliberalen vor. Nein, auch eine Produktion von supergeheimen Strahlenwaffen kann man so nicht bestätigen, heißt es dann.
Ungestümer Wissensdurst
Weil aber nicht nur die Zahl solcher Anfragen, sondern auch die zu seriösen Themen wie Arbeitsmarkt, demografische Entwicklung oder der Vergabe von Fördermitteln ständig zunimmt, regt sich nun erstmals Kritik. Mit einem deutlich süffisanten Unterton verwies Vize-Regierungssprecher Andreas Beese jetzt auf eine aktuelle Statistik, nach der Sachsens Abgeordnete bundesweit absolute Vielfrager sind. Seit September 2004 reichten sie insgesamt 10956 Anfragen ein. Allein im Vorjahr waren es 2718. Zum Vergleich: In dem mit immerhin 612 Abgeordneten wesentlich größeren Bundestag gab es 2008 nur 945 Anfragen.
Im Dresdner Kabinett habe es gestern Unmut ob der anhaltenden Frageflut gegeben, teilte Beese mit. Es liege die Vermutung nahe, dass damit manchmal bewusst die Verwaltung lahmgelegt werden solle. Von den Kosten ganz abgesehen. Das bisherige Verfahren gehöre möglicherweise noch einmal auf den Prüfstand, rüttelt der Vize-Regierungssprecher überraschend an den Rechten der sächsischen Abgeordneten. Gleichzeitig legte er eine Liste mit den fragefreudigsten Parlamentariern vor. Mit 1261 Anfragen führt die der NPD-Abgeordnete Winfried Petzold an. Es folgen Heiko Hilker (Linke/1161), Johannes Lichdi (Grüne/691) und Dietmar Pellmann (Linke/644). Allein dieses Quartett zeichnet damit für über ein Drittel aller Auskunftsersuchen aus dem Landtag verantwortlich.
„Idiotisch bis sinnlos“
Mit einer Bewertung hielt sich Beese ausdrücklich zurück – bis auf eine Ausnahme: Hinter Anfragen von Herrn Petzold würden oft „idiotische bis sinnlose“ Ansinnen stecken, redete er sich in Rage. Möglicherweise hat Beese da auch an die „Mikrowellenwaffen“ gedacht.
Doch es geht noch anders. Petzolds Fraktionskollege Peter Klose wollte einst Auskunft über ein vermeintliches U-Bahn-Projekt in Zwickau. Das entpuppte sich aber als „Geisterbahn“ bzw. als ein Gerücht. Ein schweres Defizit musste die Regierung nur einräumen, als sich der CDU-Politiker Andreas Heinz erkundigte, ob man bereits genug Lebensmittelkarten gedruckt habe, um diese in Notzeiten zügig an die Bevölkerung zu verteilen: Nein, die Karten gibt es bisher nicht. Nur gut, dass mal einer danach gefragt hat.
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