Telepolis vom 29.04.2009
http://www.heise.de/tp/r4/artikel/30/30225/1.html
Von Thorsten Stegemann
Vor den wichtigen Urnengängen im Jahr 2009 hat sich die angeschlagene NPD neu aufgestellt – und weiter radikalisiert.
Teure Finanzskandale, deftige Auseinandersetzungen in der Parteispitze und ein frisch verurteilter Vorsitzender, dem das Amtsgericht Berlin-Tiergarten wegen Volksverhetzung und Beleidigung sieben Monate Haft auf Bewährung zuteilte – die NPD scheint mitten in einer der tiefsten Krisen ihrer über 40-jährigen Geschichte zu stecken. Doch der Blick auf einen finanziell angeschlagenen, immer zerstrittenen und mehrfach vorbestraften Haufen ewig Gestriger zeigt nur die eine Seite der Medaille.
Noch sitzen die Nationaldemokraten in den Landtagen von Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern sowie in diversen Kommunalparlamenten. Sie können sich auf eine straffe, mancherorts lückenlose Organisationsstruktur und überdies auf Kooperationspartner wie die Deutsche Volksunion und einen wichtigen Teil der sogenannten Freien Kameradschaften stützen.
Trotz zahlreicher Schwierigkeiten spricht somit wenig für einen Existenz gefährdenden Bedeutungsverlust der NPD, die auch als Bindemittel am rechten Rand noch lange nicht ausgedient hat. Ohne die größte, aktivste und offenbar medienwirksamste Partei hätten kleinere und lokale Gruppierungen keine ernsthafte Chance in der Öffentlichkeit wahrgenommen zu werden.
Umso mehr kommt es für die Nationaldemokraten darauf an, gewonnenes Terrain bei den anstehenden Urnengängen wenigstens zu verteidigen. Dabei haben die Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen sowie die Kommunalwahl in Sachsen-Anhalt naturgemäß eine höhere Relevanz als Bundestags- oder Europawahl. Die NPD will vor allem in den ostdeutschen Bundesländern, wo sie bis dato die besten Voraussetzungen vermutet, den Grundstein für dauerhafte Erfolge legen.
Hinter den Kulissen wurde lange Jahre gestritten, wie dieses Unternehmen programmatisch bewerkstelligt werden soll. Doch seit dem vergangenen Wochenende scheint die Frage, ob es sinnvoller ist, sich am rechten Rand des bürgerlichen Parteienspektrums und seiner Wählerschichten zu orientieren oder offen für radikale Alternativen zu werben, vom Parteivorstand noch deutlicher als bisher entschieden worden zu sein. Das aktuelle Positionspapier Der deutsche Weg plädiert unmissverständlich für eine "Überwindung des liberalkapitalistischen Systems und des bestehenden volksfeindlichen Parteienstaats".
Der deutsche Weg
Vor wenigen Wochen hätte kaum jemand damit gerechnet, dass sich der seit 1996 amtierende Vorsitzende Udo Voigt noch einmal gegen seine parteiinternen Konkurrenten durchsetzen könnte. Doch im Vorfeld des Bundesparteitags Anfang April verstrickten sich die selbsternannten Nachfolger ihrerseits in Flügelkämpfe und Fehleinschätzungen, so dass Voigt überraschend deutlich in seinem Amt bestätigt wurde. Dass der 57-Jährige, der die Idee einer "nationalen Volksfront" propagiert und enge Verbindungen zur Kameradschaftsszene aufgebaut hatte, der Partei eine weitere Radikalisierungskur verordnen würde, war absehbar, zumal mit Jürgen Rieger und prominenten Mitgliedern der "Freien Kameraden" gleichgesinnte Gefolgsleute in die unmittelbaren und erweiterten Führungsgremien gewählt wurden.
Der neue Parteivorstand brauchte denn auch gerade einmal drei Wochen, um den Wahlkämpfern aktualisierte Richtlinien für die bevorstehenden Aufgaben mitzuteilen. "Der deutsche Weg" erteilt allen Versuchen, die NPD als "national-konservative" Alternative im bürgerlichen Parteienspektrum zu positionieren, eine klare Absage und kokettiert im Grenzgebiet der Verfassungsfeindlichkeit mit der Abschaffung der Bundesrepublik.
Seit geraumer Zeit wird nun von einigen Vertretern der NPD der Versuch unternommen, unsere Partei einseitig national-konservativ auszurichten. (…) Tendenziell weist diese Ansicht offensichtlich in Richtung eines klaren Anpassungs-Kurses an die bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse und an jene Kreise, die sich nicht klar gegen dieses liberalkapitalistische System positionieren. Dieser Kurs muß als gefährlich, wenn nicht gar als gegen unsere nationale Sache gerichtet interpretiert werden, (…).
NPD-Positionspapier "Der deutsche Weg"
Der Parteivorstand führt die Wahlerfolge in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern darauf zurück, dass die NPD als "echte Systemalternative" wahrgenommen wurde, die auf ein baldiges Ende der bundesrepublikanischen Parteiendemokratie hinarbeitet. Zwar verfüge man derzeit weder über die notwendige Machtfülle, noch über entsprechende Druckmittel, doch die NPD könne "als ein modernes, von den geltenden Gesetzen noch gebilligtes Medium" immerhin das Ziel verfolgen, ihre "nationalen und sozialen Politik-Vorstellungen zu transportieren".
Das System aktiv politisch zu stürzen liegt nicht in unserer Hand, nach dessen absehbarem Scheitern die Avantgarde eines neuen Deutschlands zu sein, schon.
NPD-Positionspapier "Der deutsche Weg"
Als Zielgruppe werden alle Deutschen definiert, "denen die BRD nicht mehr Heimat, sondern lediglich gesamtgesellschaftliches Gefängnis ist". Im Mittelpunkt des NPD-Interesses stehen allerdings die vermeintlichen, tatsächlichen oder gefühlten Verlierer der Wirtschafts- und Finanzkrise. Das Programm zur Bundestagswahl, das momentan ausgearbeitet wird, soll die potenziellen Wähler gegen "internationalen Globalisierungswahn, multikulturellen Bevölkerungsaustausch und fehlende nationale Identität von BRD-Politikern und Managern" mobilisieren.
"Heimattreu, sozial und national" will sich die NPD dem "imperialkapitalistischen US-Weltmachtstreben" entgegenstellen und an einer substanziellen Veränderung des politischen Systems arbeiten. Dabei fühlt sie sich ausgerechnet durch die Erfolge der Linkspartei ermutigt. Schließlich werde diese ebenfalls als "Systemalternative" wahrgenommen.
Maifeiertag mit Altnazis und Holocaustleugnern
In einem akustischen Vorgeschmack auf das künftige [extern] Wahlprogramm wehrt sich die NPD entschieden dagegen, von den politischen Gegnern als "Vergangenheitsgedächtnisverein diffamiert" zu werden. Historische Ereignisse seien nicht mehr Teil des Tagesgeschäfts, das sich allein mit der Gestaltung von Gegenwart und Zukunft zu beschäftigen habe.
Die Realität sieht freilich anders aus. Zur zentralen Maikundgebung in Berlin-Köpenick, bei der am Freitag rund 1.000 NPD-Anhänger erwartet werden, kündigt die Partei gleich mehrere Redner an, die sich in der Vergangenheit als Geschichtsrevisionisten, Antisemiten und Holocaustleugner in Szene gesetzt haben. So soll am Tag der nationalen Arbeit – neben Parteichef Voigt und dem mecklenburgischen Fraktionsvorsitzenden Udo Pastörs – auch [extern] Udo Walendy zu Wort kommen, der seit seinem 1965 erschienenen Buch "Wahrheit für Deutschland – Die Schuldfrage des Zweiten Weltkriegs" zu den publizistisch aktivsten Mitgliedern der rechten Szene gehört. Der mehrfach wegen Volksverhetzung verurteilte 82-Jährige war in den späten 60er und frühen 70er Jahren Mitglied im Bundespräsidium der NPD, gründete den auf alle Varianten des Revisionismus spezialisierten "Verlag für Volkstum und Zeitgeschichtsforschung" und veröffentlichte hier rechtsradikale Standardwerke wie Richard Harwoods "Starben wirklich sechs Millionen" oder Arthur Butz "Der Jahrhundertbetrug".
Neben Walendy kann sich die rechte Gästeschar auf Grußworte von [extern] Hajo Hermann freuen. Der ehemalige Jagdflieger gilt in Kreisen, in denen Kriegshelden verehrt werden, als legendärer Veteran einer großen Zeit und wird von der NPD stilecht als "Oberst a.D., Ritterkreuzträger" angekündigt. Hermann ist mittlerweile 95 Jahre alt und kann neben den lange zurückliegenden Erlebnissen in der Wehrmacht auf eine nicht eben alltägliche Anwaltskarriere zurückblicken. Er verteidigte nahezu alle prominenten Holocaust-Leugner – von David Irving und Otto Ernst Remer über den amerikanischen "Gaskammer-Experten" Fred Leuchter bis hin zu Ernst Günter Kögel. Als Kögel 2004 den Weg in die JVA Remscheid antreten musste, war übrigens auch die NPD [extern] mit von der Partie.
Eine stattliche Abordnung der Reisegesellschaft begab sich zum Haus der Eheleute Kögel, wo ihnen ein herzlicher Empfang bereitet wurde. Es war kein Jammern zu vernehmen. Entschlossenheit und Siegeszuversicht erfüllten die Seelen, als Günter Kögel das Wort an die Freunde richtete. Zu dieser Runde stieß schließlich auch der Verteidiger von Günter Kögel, Rechtsanwalt Hajo Herrmann (91), der von Adolf Hitler persönlich geehrte hochdekorierte Kriegsheld des Zweiten Weltkrieges. Er wollte es sich nicht nehmen lassen, den Freund und Kampfgefährten in die Gefangenschaft zu begleiten, hinter der der gleiche Feind steht, den er einst am Steuerknüppel seines Jägers unter Einsatz seines Lebens bekämpfte.
NPD Göttingen im Dezember 2004
Eckart Bräuniger wird den Altersdurchschnitt auf der Rednertribüne dramatisch senken, doch in puncto rechtsextremer Gesinnung steht er seinen Mitstreitern nicht nach. Der 1971 geborene Berliner war bereits Landesvorsitzender und gehört als Generalsekretär nun zum Vorstand der Bundespartei. Er begann seine politische Laufbahn bei der mittlerweile verbotenen FAP und sorgte im Sommer letzten Jahres mit der Forderung für Aufsehen, Berliner Straßen und Plätze nach SA-Ikonen wie Horst Wessel oder Hans Eberhard Maikowski zu [extern] benennen. Als Bräuninger 2005 den Berliner Landesverband übernahm, [extern] schätzte ihn der Verfassungsschutz als "gewaltbereiten Führungsaktivisten" ein. Unter seiner Leitung sei eine "stärker neonazistische und aktionistische Ausrichtung" zu erwarten.
Stargast aus Österreich
Ganz besonders freut sich die NPD auf einen Besucher aus Österreich. Herbert Schweiger wird als "ehem. Angehöriger der LAH" und "Publizist" annonciert. Hinter dem Kürzel LAH verbirgt sich die berüchtigte "Leibstandarte-SS Adolf Hitler" und der Begriff "Publizist" verbirgt in diesem Fall ein Lebenswerk, das praktisch ausschließlich der Umschreibung der deutschen Geschichte und einer Wiederbelebung des Nationalsozialismus gewidmet ist. Im März dieses Jahres erklärte Schweiger der "Daily Mail", wer seiner Einschätzung nach für die Wirtschafts- und Finanzkrise verantwortlich ist.
Die Juden an der der Wall Street haben die Weltwirtschaftskrise verschuldet. Es ist dieselbe Situation wie 1929, als 90 Prozent des Geldes in der Hand der Juden war. Hitler hatte dann die richtige Lösung.
Herbert Schweiger
Folgerichtig träumt der unbelehrbare, bereits mehrfach inhaftierte 85-Jährige von einer glorreichen Zukunft des Nationalsozialismus.
Unsere Zeit wird wiederkommen, und wir werden einen Führer wie Hitler haben.
Herbert Schweiger
Seine historische Mission, die er offenbar auch im Auftrag der NPD wahrnehmen will, beschreibt Schweiger folgendermaßen:
Meine Aufgabe besteht darin die Grundlagen des Nazismus zu lehren. Ich reise regelmäßig durch Österreich und Deutschland und spreche mit jungen Menschen unterschiedlicher Gruppierungen.
Herbert Schweiger
Ein Berliner Staatsanwalt soll nach Prüfung dieses Interview-Textes ein halbes Dutzend Straftatbestände konstatiert haben. Ob Schweiger, wenn er denn anreist, auch tatsächlich das Wort ergreifen kann, gilt deshalb als zweifelhaft. Polizeisprecher ließen Medienvertreter inzwischen [extern] wissen, dass der vorbestrafte Holocaustleugner an einem Auftritt gehindert werden soll, um eine Wiederholung von Straftaten auszuschließen – und ein Signal für die Gegendemonstranten zu setzen, die nach der Veröffentlichung der Rednerliste zahlreiches Erscheinen [extern] angekündigt haben.
Auf die heimliche, stille und leise Selbstzerstörung der Rechtsextremen wird nach den jüngsten Anzeichen niemand mehr ernsthaft spekulieren können. Vielmehr sieht alles danach aus, als ob die NPD versuchen wird, die internen Probleme durch eine aggressivere Außenwirkung zu kaschieren und eine Frontlinie aufzubauen, hinter der sich alle annähernd Gleichgesinnten versammeln können. Wie die demokratischen Parteien und die neu herausgeforderten Wähler auf die noch einmal radikalisierte Gangart reagieren werden, bleibt abzuwarten. In der jüngsten Vergangenheit konnte die NPD damit rechnen, dass sich die einen mit politisch korrekten Absichtserklärungen begnügten, während ein nicht unbeträchtlicher Teil der anderen sein Kreuz hinter der selbst ernannten Systemalternative machte.
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