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spacer.gif   Zeitungsartikel: Kommunalwahl 2009: Was will die NPD in Sachsen?
veröffentlicht am Samstag, 06. Juni 2009, 23:14 Uhr
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Publikation 2008 Netz gegen Nazis, 05.06.2009

Von Miro Jennerjahn

Für 103 sächsische Städte und Gemeinden hat die NPD für die bevorstehende Kommunalwahl am 7. Juni 2009 eigene Listen aufgestellt. Um Wählerstimmen zu erlangen, spricht sie mit doppelter Zunge: So tritt sie etwa öffentlich für Menschen- und Freiheitsrechte ein, die sie intern abzuschaffen gedenkt. Eine Wahlprogramm-Analyse.

Für 103 sächsische Städte und Gemeinden hat die NPD für die bevorstehende Kommunalwahl am 7. Juni 2009 eigene Listen aufgestellt. Mal bestehen diese Listen nur aus einer Person, in einigen Orten sind die Listen mit 7,8, 9 oder mehr Kandidaten recht umfänglich. Besonderes Augenmerk hat die NPD auch auf eigene Listen in den großen Städten Chemnitz, Dresden und Leipzig gelegt.

Derzeit im Internet abrufbar sind NPD-Kommunalwahlprogramme für Dresden, Leipzig, Görlitz und Zittau. Inhaltlich werden wenig überraschende Themen aufgegriffen: Ein wenig Wirtschaft, ein wenig Kampf gegen die herbei phantasierte "Überfremdung" des deutschen Volkskörpers, ein wenig Polemik gegen Filz und Korruption "des Systems".

Nur mühsam sind die vier Programme an regionale Besonderheiten angepasst. In Dresden darf natürlich der Bezug auf den angeschlagenen Chip-Hersteller Quimonda nicht fehlen, in Görlitz wird auf die vermeintliche Gefahr durch die offenen Grenzen nach Osteuropa aufmerksam gemacht. Die regionalen Bezüge können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Programme kein ernsthaftes politisches Programm bieten und nachlässig erstellt sind. Im Dresdner Programm findet sich etwa ein Abschnitt zum Thema "Kriminalität und Graffiti-Unwesen bekämpfen", im Görlitzer Programm heißt das "Graffiti-Unwesen und Kriminalität bekämpfen". Allerdings hat man dann in letzterem vergessen, auch was zum Thema Graffiti zu schreiben.

Beispiel Leipzig

Anhand des Leipziger Wahlprogramms sollen einige Argumentationsmuster und vor allem Widersprüche innerhalb des Programms aufgezeigt werden. Mit dem Slogan "Wir sind das Volk" greift die NPD in Leipzig eine Parole aus der Wendezeit 1989/90 auf und versucht sich so in die Tradition der DDR-Opposition zu stellen. Allerdings dient das bei der NPD als Grundlage, um das politische System der Bundesrepublik in Frage zu stellen. Die Menschen seien gegen das DDR-System auf die Straße gegangen, da dieses der Bevölkerung Menschen- und Freiheitsrechte verweigert habe. Indem die NPD behauptet, es seien die gleichen Machthaber an der Regierung wie damals, wird indirekt angedeutet, heute sei das nicht anders.

Von diesem Punkt ausgehend wird das gesamte Arsenal an menschenverachtenden Ideologie-Elementen der NPD sichtbar. Die hohe Kriminalitätsrate in Leipzig wird auf den multikulturellen Charakter der Stadt zurückgeführt und damit eine Gleichsetzung der Begriffe "ausländisch" und "kriminell" vorgenommen. In dem Kapitel "Deutsches Geld für deutsche Aufgaben" wird ein Ende der finanziellen Förderung der Leipziger jüdischen Gemeinde gefordert. Damit deutet die NPD gleichzeitig an, dass Juden aus ihrer Sicht nicht deutsch sein können, und pflegt damit ihren Antisemitismus. Kultur habe die Aufgaben, den Menschen sittlich zu erhöhen und "das Schöne, Gute und Wahre" zu fördern. Dass es der NPD dabei nicht um Aufklärung und Mündigkeit der Menschen geht, wird deutlich, wenn sie sich im nächsten Halbsatz gegen "krankhafte Entartungen" im Kunstbereich wendet und damit offen auf die Rhetorik des Nationalsozialismus zurückgreift.

Widersprüche

Natürlich lassen sich auch jede Menge logische Brüche in dem lediglich 12 Seiten umfassenden Programm finden.

So wird die DDR als Unrechtsstaat gebrandmarkt, das DDR-Schulsystem jedoch gelobt, weil das gemeinsame Lernen bis zur 8. Klasse für hohes Allgemeinwissen, Sozialkompetenz und Gemeinschaftsdenken gesorgt habe. Dass das Schulsystem der DDR die Aufgabe hatte, Kinder und Jugendliche im Sinne der SED-Ideologie zu formen, mithin für das vorher gebrandmarkte Unrechtssystem steht, wird dabei lieber verschwiegen.

Auf der einen Seite wird die Forderung erhoben, bei der Besetzung von städtischen Ämtern müsse die Kompetenz der Bewerber Vorrang vor dem Besitz eines bestimmten Parteibuchs haben, auf der anderen Seite wird Arbeitsplatzvergabe zuerst an Deutsche gefordert. Abgesehen davon, dass es längst diskriminierende Praxis in Deutschland ist, dass Menschen ohne deutschen Pass oder EU-Staatsbürgerschaft gesetzlich systematisch benachteiligt werden bei der Arbeitsplatzsuche, stellt sich die Frage, warum nicht auch hier das Kompetenzprinzip gelten soll, wenn der zuvor angeprangerte Protektionismus doch schädlich ist.

Einerseits versucht sich die NPD durch die konstruierte Traditionslinie zur DDR-Bürgerrechtsbewegung als Verteidigerin von Menschen- und Freiheitsrechten zu inszenieren, andererseits fordert sie eine umfassende Einschränkung der Freiheit von Kunst und Kultur.

Kommunalwahlen als Bestandteil der Systemüberwindung

Bereits kurz nach der für die NPD erfolgreichen Landtagswahl in Sachsen 2004 bekannte der NPD-Bundesvorsitzende Udo Voigt in einem Interview mit der neurechten Wochenzeitung Junge Freiheit offen: "Es ist unser Ziel, die BRD ebenso abzuwickeln, wie das Volk vor fünfzehn Jahren die DDR abgewickelt hat. Dies geht offensichtlich auch über die Wahlurne." In diesem Sinne haben die Kommunalwahlen strategische Bedeutung, um die Verankerung der NPD systematisch auszubauen und Erfolge auch auf den höheren politischen Ebenen langfristig abzusichern. Es geht daher nicht um die Entwicklung von Lösungen für konkrete Probleme der Menschen vor Ort, erlaubt ist vielmehr alles, was das politische System der BRD in Frage stellt, egal wie widersprüchlich die Argumentation ist.

Anhand der Kommunalwahlprogramme der NPD zeigt sich einmal mehr, dass die NPD zwei Sprachen spricht. Eine für die Öffentlichkeit bestimmte, in der sie sich als konstruktive politische Alternative zu inszenieren versucht, welche die Sorgen und Nöte "des kleinen Mannes" aufnimmt. Und eine interne Sprache, in der offen gesagt wird, wofür die NPD tatsächlich steht. Da wird dann nicht mehr Bezug genommen auf die Menschenrechte, sondern diese vielmehr als "undeutsch" definiert und deren Beseitigung angestrebt. Die Parlamente sind dort nicht mehr der Ort, an dem man sich der Probleme der Menschen annimmt, sondern "Schwatzbuden" und Politikwerkstätten zur Erlangung des "geistigen Rüstzeug im Kampf gegen die Feinde unseres Landes". Offen wird dort auch gesagt, dass es nicht um konstruktive Mitarbeit geht, da man sich nicht "zu Bütteln im Hamsterrad des Parlamentsbetriebs" machen lasse, vielmehr sind Parlamente "Mittel zum Zweck" (alle Zitate Holger Apfel, Vorsitzender der NPD-Fraktion im Sächsischen Landtag). Der Zweck ist die von Udo Voigt offen ausgesprochene Systemüberwindung.

Dieser Text wurde uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt von www.nazis-nein-danke.de, dem Informationsdienst von Bündnis90 / Die Grünen in Sachsen.


 
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