Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), 09.06.2009
Von Peter Schilder, Dresden, und Frank Pergande, Schwerin
09. Juni 2009 Nach den Kommunalwahlen ist in den ostdeutschen Bundesländern die Rede von einem Siegeszug der NPD durch die Kommunen. In Thüringen, wo aufgrund eines Urteils des Verfassungsgerichtshofs keine Fünfprozenthürde mehr galt, zieht die Partei in 18 Stadt- und Kreisparlamente ein; darunter sind ein Mandat im zukünftigen Parlament der Landeshauptstadt Erfurt und zwei in Gotha. Insgesamt errang die NPD in Thüringen einen Stimmenanteil von 2,6 Prozent; sie war in sieben Kreisen, vier kreisfreien Städten und drei Kreisstädten mit Bewerbern angetreten. Die Mobile Beratungsstelle für Thüringen sieht darin ein „Alarmsignal“. Zwar sei der rechtsextremen Partei der erhoffte landesweite Durchbruch verwehrt geblieben, dennoch sei das Ergebnis besorgniserregend, teilte die vom Bundesfamilienministerium geförderte Beratungsstelle in Erfurt mit.
Sachsen: Direkter Kontakt, mehr Stimmen
In Sachsen sind zwei Aspekte relevant, um das Abschneiden der NPD in den Kommunalwahlen zu bewerten, wobei sich beide auf dieselben Zahlen beziehen: Die NPD konnte ihre Mandate in sächsischen Gemeinden von 22 auf 72 verdreifachen; sie kam im Landesdurchschnitt auf 2,3 Prozent - von 0,5 Prozent im Jahr 2004. Sie ist zudem mit zwei Mandaten in den Stadtrat von Leipzig eingezogen, der bisher NPD-frei war.
Das bringt manchen dazu, von einer sich verfestigenden Stärke der NPD in Sachsen zu sprechen. Zusätzlich wird dann noch angeführt, dass in Reinhardtsdorf-Schöna in der sächsischen Schweiz, wo so ein rechtsextremes „Nest“ zu vermuten sei, die NPD gar auf 22 Prozent der Stimmen kam. An diesen Zahlen ist tatsächlich nicht zu deuteln. Dennoch büßte sie bezogen auf die Kreistagswahl 2008 mit einem Ergebnis von 5,1 Prozent Stimmen ein. Selbst der sächsische NPD-Fraktionsvorsitzende Holger Apfel spricht darum davon, dass „die Bäume nicht in den Himmel wachsen“.
Ergebnis nicht auf das ganze Land übertragbar
Die NPD hatte sich nämlich deutlich mehr vorgenommen. Mit 327 Kandidaten war sie in den 491 Gemeinden angetreten und wollte wenigstens 100 Mandate holen. Daraus ist nichts geworden. In Königstein, einer anderen Hochburg im Erzgebirge fiel der Stimmenanteil von 21 auf etwa neun Prozent. Dort war vor drei Jahren der führende Funktionär, ein Fahrlehrer, gestorben. Andererseits ist festzustellen, dass die NPD überall dort stark wird, wo ihre NPD-Aktivisten direkten Kontakt zu den Menschen suchen und die anderen Parteien schwach vertreten sind, stark. Das ist auch in Sebnitz so, wo der stellvertretende Fraktionsvorsitzende eine Arztpraxis betreibt. Dort kam die NPD auf 13 Prozent der Stimmen.
Doch diese Zahlen lassen sich nicht auf das ganze Land übertragen. In Leipzig und Dresden haben die beiden NPD-Stadträte nicht einmal Fraktionsstatus, weshalb sie auf die Bereitstellung der notwendigen Ausstattung verzichten müssen. Im Landesdurchschnitt kommt die NPD auf 2,3 Prozent. Das ist deutlich weniger als jene 9,2 Prozent, die sie in der Landtagswahl 2004 erreicht hatte. Auch wenn die beiden Ergebnisse nicht direkt miteinander zu vergleichen sind, lässt das Kommunalwahlergebnis auf ein schlechteres Abschneiden der NPD schließen. Apfel befand daher, dass die NPD die Protestwähler nicht hinreichend mobilisiert habe. Erfolg und Misserfolg der NPD hängen also an den anderen Parteien und ihrer Politik
Mecklenburg-Vorpommern: An Einfluss verloren
Auch in Mecklenburg-Vorpommern wird seit der Kommunalwahl darüber gegrübelt, was das Wahlergebnis über die NPD im Land aussagt. Die Partei kam auf 3,2 Prozent der Stimmen. Da es auch hier keine Fünf-Prozent-Klausel gibt, zieht sie in 13 Kreistage oder die Vertretungen von kreisfreien Städten ein, unter anderem mit einem Sitz in die Stadtvertretung der Landeshauptstadt Schwerin und sogar zwei Sitzen in Rostock, der größten Stadt des Landes. Zieht man zum Vergleich die Kommunalwahlergebnisse von 2004 heran, so hat die NPD damit einen großen Erfolg errungen.
Aber damals spielte sie im politischen Alltag des Landes auch noch keine Rolle. 2006 jedoch war das schon anders. Da zog sie mit 7,3 Prozent der Stimmen in den Schweriner Landtag mit sechs ihrer Leute ein. Vergleicht man aber die Landtagswahlergebnisse mit denen der Kommunalwahl, kann man schlussfolgern, der Einfluss der NPD habe sich praktisch halbiert. Im folgenden Vergleich ist die unterschiedliche Wahlbeteiligung schon eingerechnet: 2006 machten 48.000 Wähler ihr Kreuz bei der NPD, am Sonntag nur noch 20.000. Im vorpommerschen Postlow, wo die Partei 38,2 Prozent bei der Landtagswahl und damit ihr höchstes Ergebnis überhaupt erzielte, kam sie nur noch auf 17,2 Prozent. Im Landkreis Uecker-Randow erreichte die NPD bei der Landtagswahl 5300 Wähler, diesmal nur noch 2700.
Gebiete von anderen Parteien aufgegeben?
Dessen ungeachtet kam sie in einigen Orten abermals auf zweistellige Ergebnisse, aber nur dort, wo sie ohnehin schon zuvor stark war. Im mecklenburgischen Lübtheen erreichte die Partei elf Prozent, im vorpommerschen Ueckermünde 12,1 Prozent. In Ueckermünde ließ die NPD sogar die SPD (11,8 Prozent) hinter sich. Allerdings ist es der NPD offenbar nicht gelungen, ihr Einflussgebiet zu vergrößern. Es bleibt bei Lübtheen im Landkreis Ludwigslust, wo einige Größen der Partei, vor allem der Fraktionsvorsitzende Udo Pastörs, leben. Pastörs Frau trat für die Kommunalvertretung an und ist nun NPD-Gemeinderätin. Und es bleibt bei einigen Gebieten im Osten von Vorpommern, vor allem im Landkreis Uecker-Randow, wo die Partei bei der Kommunalwahl 9,1 Prozent erreichte.
Die SPD spielt dort praktisch keine Rolle mehr, Linkspartei und CDU sind gerade noch zu erkennen. Schon im Wahlkampf schien es überhaupt nur die NPD zu geben, die das ganze Land mit ihren Plakaten regelrecht geflutet hatte. Nach jeder Wahl versprechen die anderen Parteien, sich mehr um Ostvorpommern zu kümmern, verweisen zugleich aber auch darauf, dass sie dort gar nicht genügend Mitglieder haben, um vernehmbar auftreten zu können. Dennoch meint etwa die Bürgermeisterin von Ueckermünde, Heidi Michaelis (Linkspartei), mit Blick auf die Kommunalwahl: „Die NPD wird nicht stärker, sie ist schwächer geworden.“
Text: FAZ.NET
|