Sächsische Zeitung, 17.06.2009
Bei der Sebnitzer Bahndemo provozieren Rechte mit einem Plakat, das den deutschen Überfall auf Polen 1939 verherrlicht.
Von Christian Eißner und Thomas Möckel
Wer hätte gedacht, dass die NPD einmal für einen deutsch-tschechischen Grenzübergang auf die Straße gehen würde? Bei der Demonstration für den Eisenbahn-Lückenschluss zwischen Sebnitz und Dolni Poustevna konnte man sie am vergangenen Freitag tatsächlich dabei beobachten.
Die NPD-Ortsgruppe Neustadt-Sebnitz forderte auf einem Transparent den „Eisenbahn-Grenzübergang Niedereinsiedel-Sebnitz“. Ein Kurswechsel? Mitnichten. Eher eine perfide Huldigung an Hitlers Angriffskrieg. Die Zeichnung auf dem Transparent ist einem Foto nachempfunden, das mancher noch aus dem Geschichtsbuch kennt. Sie stellt eine Szene nach, bei der deutsche Wehrmachtssoldaten am 1. September 1939 einen Schlagbaum an der Grenze zu Polen einreißen. Damit begann der Zweite Weltkrieg. Das Transparent macht deutlich, wie die rechtsextreme Partei, die sich zurzeit betont bürgerlich gibt, wirklich tickt. Der für die Neonazis offenbar einzig vorstellbare Grenzübergang nach Tschechien: Mit einer Armee im Rücken.
Zwar blieb das provokante Plakat weitgehend unbemerkt, weil Demo-Initiator Rainer Böhme das Transparent rasch wieder einrollen ließ. Dennoch reagiert er äußerst verärgert darauf, dass die Rechtsextremisten den Bürgerprotest als eigene Plattform missbrauchen wollten. „Die NPD hat sich erneut an eine Aktion drangehängt, nur um auf sich aufmerksam zu machen“, sagt er. Deren Plakat sei ganz und gar nicht im Sinne des geplanten Grenzübergangs. „Wir wollen ein friedliches, verbindendes Miteinander, und keine neuen Barrieren“, sagt Böhme. Wie widersprüchlich die NPD zudem agiert, zeigt folgender Umstand: Vor geraumer Zeit stimmte der NPD-Vertreter in der Verbandsversammlung des Verkehrsverbundes Oberelbe dagegen, dass der Bohemia-Express von Decin nach Deutschland fährt. Er befürchtete, dass mit dem Zug zu viele Ausländer nach Deutschland einreisen … „Dass die Rechten den deutschen Überfall auf Polen instrumentalisieren, um für ein grenzüberschreitendes Projekt zu demonstrieren, spricht doch Bände“, sagt Sebastian Reißig von der Pirnaer Aktion Zivilcourage.
Für die NPD hat die Plakat-Aktion eventuell ein juristisches Nachspiel: Es könnte der Tatbestand der Volksverhetzung durch Verherrlichung der Nazi-Gewaltherrschaft erfüllt sein. „Abschließend können wir das aber erst beurteilen, wenn die Bilder genau ausgewertet sind“, sagt der Dresdner Oberstaatsanwalt Christian Avenarius.
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