Sächsische Zeitung, 20.08.2009
Von Lars Kühl, Heike Sabel und Tobias Wolf
Bei einem Besuch in seiner alten Heimat Sächsische Schweiz war Jens Zimmermann schockiert. Der jetzige Petersberger erschrak beim Anblick der Masse fremdenfeindlicher NPD-Wahlplakate. „Diese Entwicklung macht mir Angst“, sagt er. Zimmermann sorgt sich, dass nach so einer Erfahrung viele Touristen trotz aller Naturschönheiten nie mehr wieder in die Sächsische Schweiz kommen.
Welche Wirkung die Plakate auf Gäste hat, erlebt auch Steffen Gebhardt vom „Sonnenhof“ in Hinterhermsdorf. „Zu uns kommen sehr viele Holländer, was geht denen wohl beim Anblick der Plakate durch den Kopf?“ Andere Touristiker berichten schon von ausländischen Gästen, die wieder abreisten. Und auch in der Bevölkerung stoßen die Plakate der NPD auf wachsenden Unmut. Die Jungen Sozialdemokraten haben am Dienstag eine Plakataktion unter dem Motto „Nazis raus aus dem Landtag“ gestartet. 100 Plakate hängen sie in mehreren Städten des Kreises auf.
Dehoga mit eigenen Plakaten
Es formiert sich eine breite zivilgesellschaftliche Bewegung. Kirchen, Privatpersonen, die Tourismuswirtschaft und der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) engagieren sich gegen die rechte Wahlwerbung. Gastwirte hatten sich auf einer Podiumsdiskussion am 12. August in Pirna über die Plakatierung beschwert. Die Dehoga gab daraufhin eigene Plakate in Auftrag. „Wir wollen den NPD-Plakaten so schnell wie möglich öffentlich etwas entgegensetzen“, sagt Dehoga-Regionalchefin Judith Fichtner. „Für die Einwohner und unsere Gäste soll zum Ausdruck kommen, wir sind hier keine rechte Hochburg.“
Die Kommunen nutzen die Möglichkeit, in ihren Sondernutzungssatzungen Grenzen festzulegen, unterschiedlich. Die Stolpener haben ganz konkret festgelegt, an welchen Straßen plakatiert werden darf. NPD, CDU und SPD hielten sich nicht daran und wurden prompt von der Stadt zur Ordnung gerufen. Konsequent ist auch Dürrröhrsdorf-Dittersbach, wenn Parteien selbst das Rathaus nicht mit ihrer Werbung verschonen.
Bis Montag hingen die NPD-Plakate in Bad Schandau sogar auf der Elbbrücke an fast jedem Lichtmast. Jetzt sind sie verschwunden. Die Straßenmeisterei Langburkersdorf hat sie entfernt, da sie nur in der Ortslage angebracht werden dürfen. Und die beginnt erst in der bebauten Zone, in Bad Schandau also rechtselbisch. Trotzdem überwiegen im Kurort die NPD-Plakate. Eine geregelte Limitierung gibt es nicht. Nur auf dem Markt und auf der Bergmann-Straße sei das Aufhängen verboten, erklärt Andrea Wötzel von der Stadtverwaltung.
Pirna limitiert, Kurort reagiert
Die NPD legte auf den Tag sechs Wochen vor der Wahl, so wie es erlaubt ist, los. In Nacht- und Nebelaktionen wurden ganz oben an den Masten die Plakate aufgehangen. In ganz Sachsen will die rechtsextreme Partei angeblich rund 85000 Plakate anbringen, vor allem in Städten und eben der Sächsischen Schweiz. Bei der SPD sollen es nur 50000 sein, bei den Linken gar nur gut 25000. Selbst die CDU erreicht die NPD-Zahlen nicht. 250000Euro soll die braune Kampagne kosten. Da die finanziell schwer angeschlagene Bundes-NPD nichts dazugibt, stamme das Geld aus Spenden und Darlehen, heißt es aus Parteikreisen. So sollen die sächsischen NPD-Landtagsabgeordneten seit 2004 monatlich bis zu 650Euro ihrer Diäten abgeben.
Bad Schandau will jetzt auf die Plakat-Flut reagieren. Nach der Bundestagswahl Ende September soll die Sondernutzungssatzung geändert werden. Dann soll das Aufhängen von Wahlplakaten klar geregelt sein. So wie bereits in Pirna. Hier darf die Werbung ausschließlich an Laternenmasten hängen, teilt Stadtsprecher Thomas Gockel mit. Untersagt sei sie in Rathausnähe und dem Marktbereich sowie vor Kirchen und an Friedhöfen.
Genau festgelegt sei auch die Zahl, die sich am Ergebnis der vorherigen Landtagswahl orientiert: CDU 400Plakate, Die Linke 290, Bündnis90/Die Grüne, SPD sowie FDP jeweils 200 und die NPD 160.
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