Sächsische Zeitung, 22.08.2009
Von Tobias Wolf
Eine groß angelegte Protest-Aktion startete gestern Abend im gesamten Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge gegen NPD-Wahlwerbung, die vielerorts an nahezu jedem Lichtmast hängt. Unabhängig voneinander starteten Bürger lokale Initiativen in Zusammenarbeit mit Kirchengruppen. Daneben engagieren sich das Hotel- und Gaststättengewerbe, der Tourismusverband Sächsische Schweiz, die IHK, die Sparkasse und weitere Wirtschaftsverbände.
„Eine Wahl gegen rechts“ ist der Titel eines Plakates, das die regionale Wirtschaft seit Freitag anbringen lässt. Mit gutem Grund. Wer sich einmal über Google einen Überblick über „no go areas“ für Ausländer verschaffen will, stellt laut Werner Kirschner, Besitzer des Hotels Elbresidenz in Bad Schandau „schnell fest, dass auch unsere Ferienregion Sächsische Schweiz auf den Gefahrenkarten leuchtend rot gekennzeichnet ist.“ Das Fünf-Sterne-Haus beherberge immer einen hohen Anteil ausländischer Gäste. „Wenn die allerdings zwischen der Autobahnabfahrt in Pirna und unserem Haus auf 150 NPD-Plakate stoßen, müssen wir schon ganz schön Überzeugungsarbeit leisten, damit die Gäste nicht postwendend wieder abfahren“, erklärt er.
Keine Stimme für Rechts
Den Anfang zur Gegenwehr gegen die Nazi-Parolen hatten am Dienstag die Jungen Sozialdemokraten (Jusos) mit einem Protestplakat unter dem Motto „Nazis raus aus dem Landtag!“ gemacht. Im Verlauf der Woche stellte sich dann heraus, dass vielerorts unabhängig voneinander private Bürgerinitiativen entstanden sind.
Marcus Schubert von der Landeskirchlichen Gemeinschaft in Pirna verteilt zusammen mit der jungen Gemeinde und dem Jugendverband „Entschieden für Christus“ seit gestern Abend in Königstein und Pirna Aushänge. Titel: „Keine Stimme für Rechtsextremisten– denn Nächstenliebe verlangt Klarheit“. Unterstützt werden sie auch von der Aktion Zivilcourage und der SPD in Pirna. „Es ist uns ein Herzensanliegen, dass wir uns gegen eine Ideologie stellen, die den Anderen und den Schwachen nicht achtet“, sagt Schubert und verweist auf andere spontane Initiativen. „Da waren so viele Leute, die einfach gesagt haben: Lass uns was gegen diese NPD-Plakate machen“ berichtet er.
Über diese Aktionen dürften auch André und Steffi Neumann aus Freital froh sein. Sie waren nach ihrer Rückkehr aus dem Urlaub über die braunen Hetzparolen, mit denen die Straßen derzeit zugepflastert sind, regelrecht schockiert. Auch Frank Gliemann, der Chef des Freitaler Hotels zur Linde, unterstützt die Plakataktionen gegen Rechtsextreme ausdrücklich. „Es ist eine Pflicht der Demokraten zu zeigen, dass wir mehr und besser sind. Hinterm Ofen sitzen und meckern reicht nicht“, sagt er.
Aktiv für die Demokratie
Das sieht auch die Hohnsteiner Pfarrerin Katrin Jell so. Stellvertretend für viele Kirchgemeinden und Pfarrerkollegen sagt sie: „Als Christen sind wir aufgefordert, die Augen niemals zu verschließen und uns an die Seite der Ausgegrenzten zu stellen.“ Das Gebot der Nächstenliebe müsse verteidigt werden. „Egal welcher politischen Gesinnung man ist, diese aggressive Wahlwerbung muss begrenzt werden“, fügt Bernhard Steinert aus Cunnersdorf hinzu. Der Biolandwirt und Stadtrat in Hohnstein zählt zu den Aktivisten, die seit Freitagabend bunte Plakate verteilen.
Auch die Verantwortlichen der Tourismusbranche helfen mit. „Ich finde es wichtig, dass die Menschen aktiv werden, da wir uns die Demokratie täglich neu erarbeiten müssen“ sagt Annette Immel von der Tourismusinformation Stolpen und ergänzt: „Dazu muss jeder einen Beitrag leisten.“ Gastwirt Ralf Himme aus Ottendorf stört vor allem der Kampf gegen Ausländer, den die NPD mit ihrer Wahlwerbung betreibe. Der Betreiber der Pension „Zum Kirnitzschtal“ ärgert sich ebenso wie der Freitaler Gliemann, dass „die anderen Parteien viel zu spät“ reagiert haben.
„Unsere Gemeinde hat sich überhaupt nicht gekümmert, dass die NPD in der Umgebung so viele Plakate geklebt hat“, zeigt sich Himme enttäuscht und fügt hinzu: „Wir wollen für jeden offen sein.“
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