Die ZEIT, 03.09.2009
Um die NPD-Ergebnisse bei den Landtagswahlen am Wochenende einzuordnen, sollte man fünf Jahre zurückblenden. Damals, im Sommer 2004, auf dem Höhepunkt der Anti-Hartz-VI-Stimmung, holte die rechtsextremistische Partei in Sachsen 9,2 Prozent. Beobachter und Politiker erklärten danach, dies sei ein einmaliger Sonderfall. Die NPD habe Proteststimmen sammeln können. Im Parlament würden sich die Nazis schon selbst zerlegen, im Übrigen seien die Funktionäre alles zugereiste Westler. Nun hat die NPD in Sachsen mit 5,6 Prozent der Stimmen den Wiedereinzug in einen Landtag geschafft – das erste Mal überhaupt in der 45-jährigen Parteigeschichte. Selbst ohne verbreitete Proteststimmung und trotz der Querelen der Fraktion kam die Partei problemlos über die Fünfprozenthürde. Es ist ihr gelungen, eine Stammwählerschaft an sich zu binden.
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Vor allem in den ländlichen Regionen, in der Lausitz, der Sächsischen Schweiz, dem Erzgebirge und dem Leipziger Umland, gibt es Gemeinden, in denen bis zu 20 Prozent der Bürger NPD wählten – und das tun sie stabil seit zehn Jahren. Die NPD ist in Sportvereinen präsent, stellt ehrenamtliche Schöffen, ihre Abgeordneten sitzen in Kreistagen und Gemeinderäten. Die rassistische Partei wird vielerorts als normal empfunden. Sogar CDU-Bürgermeister lassen sich mit NPD-Stimmen wählen. Wenn man den alten und neuen Fraktionschef Holger Apfel im Wahlkampf begleitete, konnte man beobachten, wie ihm Mütter mit Kinderwagen freundlich zunickten oder junge Männer Autogramme erbaten.
Die NPD ist also angekommen in Ostdeutschland – aber auch nur dort. Bei den Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen holte sie am Sonntag nur 0,3 Prozent und eine Handvoll Mandate. Bei der Landtagswahl im Saarland (wo sie 2004 noch auf vier Prozent gekommen war) rutschte sie auf anderthalb Prozent; interessanterweise verlor sie etwa genauso stark wie in Sachsen, nur dass eben dort der Stammwählersockel für den Wiedereinzug ausreichte. Auch in Thüringen war die Fünfprozenthürde in Reichweite.
Die sächsische NPD ist typisch für den relativ gemäßigten Flügel der Partei: Anders als etliche West-Landesverbände gibt sie sich bürgerlich, zumindest im Äußeren. »Sachsens starke Rechte« war Apfels Wahlslogan, von Systemopposition nicht mehr die Rede. Aus der gewohnten NPD-Forderung »Arbeit zuerst für Deutsche« hatte man das »zuerst« gestrichen – und klang so weniger rabiat. In einigen Punkten hat sich Apfels NPD dem ostdeutschen Mainstream angepasst: Das einst strikte Nein zur Abtreibung (weil ja so der Nachwuchs im Rassenkampf verloren gehe) und die Forderung nach einem mehrgliedrigen Schulsystem (um die Elite des Volkes aussieben zu können) waren im sächsischen Wahlprogramm plötzlich verschwunden. Und während sich die NPD-Spitze um Udo Voigt und Jürgen Rieger auf soziale Randgruppen konzentriert, haben die Sachsen den Mittelstand im Blick – so wie es die frühe NPD der sechziger Jahre tat, und auch die NSDAP verdankte ihren Aufstieg einst maßgeblich dem Kleinbürgertum.
Im Frühjahr hatten sich Apfel und Kameraden nach verlorener Kraftprobe gegen Militante und offene NS-Nostalgiker aus der Bundespartei zurückgezogen. Gut möglich, dass der Machtkampf bald wieder aufflammt.
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