Sächsische Zeitung vom 04.11.2009
In Reinhardtsdorf-Schöna organisieren Enthusiasten bunte Aktionen gegen braune Phrasen.
Von Anetta Kahane
Die Arbeit der Bürgerinitiative „Demokratie anstiften“ und ihrer Vorsitzenden Bianca Richter ist ausgezeichnet. 2008 lobte das „Bündnis für Demokratie und Toleranz“ die Initiative, 2009 erhielt sie den „Gustav-Heinemann-Preis“.
Aus ihrem Heimatort kennt die 31-jährige Psychologin allerdings auch andere Reaktionen auf ihre Arbeit. In der Gemeinde Reinhardtsdorf-Schöna konnte die NPD bei der Kommunalwahl 2004 das Rekordergebnis von 25 Prozent verbuchen. Auch bei der Bundestagswahl 2009 wählten stattliche 12,9 Prozent die NPD. In dem 1500-Einwohner-Ort werden oftmals weniger die Neonazis ausgegrenzt als die Menschen, die sich für Demokratie engagieren.
„Ich erlebe eine Gemeinde voller Ignoranz und Schweigen“, sagt Bianca Richter – und dass sie immer noch keine Antwort auf die Frage habe, die ihr so viele Journalisten, Politiker, Kirchenvertreter und Zugereiste stellen: Warum wählen bei Ihnen so viele NPD? „Doch auch wenn mich manchmal Resignation beschleicht, ist unsere Bilanz nicht schlecht: Wir haben einen neuen Bürgermeister, der Demokratie lebt und Rechtsextremismus als Problem erkennt, wir haben viel ehrenamtliches Engagement in der Bürgerinitiative, bieten pro Monat eine aufklärende Veranstaltung an und haben die Zahl der Wählerstimmen für die NPD zumindest schon um 100 Stimmen reduzieren können.“ Außerdem zog 2009 eine Vertreterin der Initiative in den Gemeinderat ein.
Die Arbeit begann 2004, als Bianca Richter und ihr Bruder mit einer Flugblattaktion versuchten, neue NPD-Rekordergebnisse in Reinhardtsdorf-Schöna zu verhindern. Die Folge: mehr Anfeindungen als erwartet, aber auch Unterstützung. Die NPD hat Mitglieder, die im Dorfverband anerkannt sind. Spätestens dann werden Skandalisierungen schwer, wenn jeder mit jedem persönliche Beziehungen pflegt.
Die Mitglieder der Bürgerinitiative „Demokratie anstiften“ setzen sich gegen viele Widerstände für mehr Demokratie im Ort ein. Sie sind Demokraten im besten Sinne. Die Initiative versucht, der Situation mit Belebungen des Ortes zu begegnen: Sie stellen positive Heimat-Bezüge durch ein Bilderrätsel in der Lokalzeitung her, setzen neue Impulse für den Tourismus und unterstützen neue Formen der Mitbestimmung für die Gemeinde. Es sind Aktionen, um den Phrasen der Neonazis entgegenzutreten und um ihre Mitmenschen mehr für Demokratie zu begeistern. Ein großer Erfolg der Initiative: Ein NPD-Bürgermeister wurde verhindert, indem ein parteiunabhängiger Kandidat motiviert wurde. Gastwirt Olaf Ehrlich gewann die Bürgermeisterwahl 2006. Bianca Richter resümiert: „Die Stimmung hat sich geändert. Die Neonazis haben sich mehr aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Das hat allerdings für unsere Arbeit auch den Nachteil, dass sie für den Rest der Dorfbevölkerung weniger wahrnehmbar, aber immer noch existent sind.“
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