Sächsische Zeitung, 13.11.2009
Niemand will es gewesen sein. Doch stellt sich die Frage: Wird jetzt im Rat das Misstrauen noch größer?
Von Sebastian Beutler
Octavian Ursu nimmt es gelassen. Dass er nicht alle Stimmen des Rates für seinen Beisitzerposten im Vorstand der Volkshochschule erhielt, will der Trompeter der Neuen Lausitzer Philharmonie nicht persönlich nehmen. Doch bleibt es ein Politikum: Als er jüngst in den Vorstand der Volkshochschule gewählt wurde, erhielt sein NPD-Gegenkandidat Andreas Storr sechs Stimmen, obwohl Storr allein für seine Partei im Stadtrat sitzt. Seitdem lautet die spannendste Frage unter Räten: Wer hat für Storr gestimmt?
Weil es sich um eine geheime Wahl handelte, ist das nur zu ermitteln, wenn sich diejenigen auch dazu bekennen. Doch das ist bislang nicht der Fall. Alle Fraktionen und Parteien im Stadtrat beteuern gegenüber der SZ, dass die fünf Stimmen nicht von ihnen kamen. Ursu sagt für die CDU/FDP: „Warum sollte das jemand von uns gemacht haben? Es gab keinen internen Streit bei uns.“ Rolf Weidle schließt Abweichler für seine Fraktion ebenso aus: „Ich kenne die Gesinnung unserer Leute.“ Thorsten Ahrens von der Linkspartei äußert sich so: „Wir waren von allen Socken. Von uns war es keiner.“ Auch Renate Schwarze von der SPD schließt ein solches Wahlverhalten für sich und ihre anwesende Parteifreundin Johanna Lange aus. Und Detlef Schiener von „Zur Sache“ sagt: „Das möchte ich ausschließen. Ich glaube nicht, dass das jemand von uns war.“
Ruf nach einem Aktionsplan
Weil das Wahlgeheimnis also Klarheit in dieser Frage verhindert, richtet sich das Augenmerk jetzt stärker auf die Frage, was diese Abstimmung für die Zukunft im Stadtrat bedeutet. Für den bündnisgrünen Stadtrat Joachim Schulze ist es ein Tabubruch. „Es gibt unter Demokraten die Übereinkunft, weder in Sach- noch in Personalfragen mit der NPD zu stimmen.“ Trotzdem kommt es immer vor, auch im Kreistag Görlitz. Für Schulze haben die fünf Räte, die mit Storr stimmten, die Brücken zur Gemeinschaft der Demokraten abgebrochen. Darauf hatte auch FDP-Stadtrat Frank Wittig bereits hingewiesen, als er sagte, dass offensichtlich Rechtsextremisten viel zahlreicher im Stadtrat sitzen als bislang angenommen.
Die NPD hat auf den ersten Blick eine unwichtige Abstimmung für ihre Absichten genutzt. Doch auf den zweiten Blick sind die Volkshochschulen wegen ihrer Aufgabe, auch über das demokratische System aufzuklären, für die NPD interessant. Da kam Storr gelegen, dass mit Ursu ein Deutscher, der in Rumänien geboren wurde, kandidierte. Im Internet versucht er mit der Herkunft von Ursu Zweifel an der Eignung des CDU-Politikers zu streuen. Dabei kommen ihm auch Sympathisanten von „Zur Sache“ zur Hilfe, sogar deren Stadtratskandidat, der Görlitzer Unternehmer Kurt Serafinowicz, äußert sich im Internet gestelzt über einen „Görlitzer mit Namen Ursu, Octavian“.
Die Linkspartei fordert daher, mehr gegen Fremdenfeindlichkeit und Rechtsradikalismus in der Stadt zu tun. „Aktionspläne wie im Gebiet Löbau-Zittau“, wünscht sich Fraktionsvorsitzender Thorsten Ahrens. Denn rechtsextremes Denken sei in der Stadt weiter verbreitet als gedacht.
|