Sächsische Zeitung, 14.11.2009
Von Gunnar Saft
Unter einem parlamentarischen Schlagabtausch versteht man üblicherweise eine heftige Redeschlacht. Allein im sächsischen Landtag muss der Begriff wohl bald wörtlich genommen werden. Anders gesagt: Es herrscht akuter Prügelalarm im Dresdner Parlament.
Anlass ist eine genau so fiese wie durchtriebene Entscheidung der Fraktionen von SPD, Grünen und FDP, die man nach außen natürlich als völlig harmlosen Beschluss tarnt. So hatten die drei Fraktionen kürzlich im Landtagspräsidium mehrheitlich durchgesetzt, dass der NPD-Fraktion nach der Landtagswahl neue Arbeitsräume zugewiesen wurden. Statt wie bisher auf der zweiten Etage, wo zufälligerweise auch SPD, Grüne und FDP ihre Büros haben, sollen die Rechten künftig in die vierte Etage umziehen. Der Haken: Dort residiert bisher allein die Linksfraktion und die sieht angesichts der angedrohten neuen Büronachbarn nur noch rot.
Panzerglas und Klo-Kameras?
Weil der Linksfraktion zum Kippen des Umzugsbeschlusses allerdings die parlamentarische Mehrheit fehlt – die CDU schaut der Posse bisher nur schweigend und grinsend zu – holte man sich Hilfe beim Landeskriminalamt. Auf Antrag der Linken erarbeitete die Behörde eine Gefährdungsanalyse, in der dem heiklen Umzugsprojekt immerhin die dritthöchste Gefährdungsstufe attestiert wird. Im Klartext: Gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen linken und rechten Abgeordneten, Mitarbeitern und Besuchern seien auf dem vierten Landtagsflur künftig „wahrscheinlich“. In dem Geheimpapier wird zudem darauf verwiesen, dass dabei die Prügelgefahr „aufgrund antifaschistischer Motivation“ bei den Linken höher ist, während die rechte Szene bei Auseinandersetzungen in der Regel mit der „größeren Härte“ vorgeht. Eine brisante Konstellation: So kommen die 29 Abgeordneten der Linksfraktion im Landtag jährlich auf rund 30000 Besucher bei Veranstaltungen und Arbeitsgesprächen, die achtköpfige NPD-Fraktion immerhin noch auf 500.
Die Sicherheitsexperten geben deshalb auch Ratschläge, was zu tun ist. Im Gespräch sind mehr Türen, Absperrungen auf dem Flur, Personenschleusen, der Einsatz von Panzerglas und Kameras sowie zusätzliches Wachpersonal – letzteres getrennt in weibliche und männliche Kontrolleure. Was im Detail an Sicherungstechnik gebraucht wird, lässt die Linksfraktion zurzeit durch ein zweites LKA-Gutachten prüfen. Und es gibt noch ungelöste Probleme. Als heikel gilt unter anderem die künftige WC-Benutzung auf der vierten Etage.
Noch aber hofft die Linke , dass es nicht zu einem solchen „Panoptikum“ kommt. Am Freitag reichte man eine Klage beim Verfassungsgerichtshof ein. Der soll nun den Umzug stoppen und alles beim Alten belassen. Gründe dafür gebe es genug. Angefangen von der Sicherheitsgefahr und den Kosten bis hin zum Hausrecht, das alle Fraktionen zu schützen habe. Die NPD verfolgt die Klage übrigens sehr aufmerksam. „Wir haben schließlich das gleiche Interesse wie die Linken“, sagte ein Sprecher. Das soll heißen, mal will auch nicht umziehen.
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