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Zeitungsartikel: Verurteilt: Der Görlitzer NPD-Chef
veröffentlicht am Donnerstag, 20. Mai 2010, 13:53 Uhr
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Sächsische Zeitung, 20.05.2010
Von Sebastian Beutler
Es ist die Geschichte eines normalen Gelegenheitsdiebes. Und die geht so: Sonnabendabend fünf vor sieben ist im Kaufland in Königshufen gewöhnlich nicht mehr viel los. So war es auch am 19. September vergangenen Jahres, als ein junger Mann mit Rucksack durch die Regale schlenderte. In der Kühlabteilung konnte er nicht widerstehen und griff zu: Hähnchenkeulen, Schweineschnitzel und Gelügelsauce. Das Geld reichte dafür aber nicht mehr, so verschwanden die Lebensmittel im Rucksack. Doch der gelernte Handelsfachpacker wurde dabei beobachtet und schließlich kontrolliert. Jetzt stand er vor Gericht.
Es könnte aber auch die Geschichte eines politischen Selbstmordes sein. Und die ginge so: Görlitzer NPD-Chef klaut im Supermarkt, steht vor Gericht und erhält zwei Monate Freiheitsstrafe – nochmals zur Bewährung ausgesetzt.
Beide Geschichten sind wahr und sie sind die zwei Seiten derselben Medaille. Der junge Mann, der die Hauptrolle in ihr spielt, heißt Stephan Latzel, ist ausgerechnet an einem 11.11. in Görlitz geboren worden, sitzt im Görlitzer Kreistag und ist Vorsitzender des Ortsvereins der rechtsextremen NPD. Einer Partei, die für Recht und Ordnung, deutsche Werte , für Disziplin, Pünktlichkeit, Ehrlichkeit steht.
Latzel kümmert das an diesem Tag wenig im Görlitzer Amtsgericht. Er kommt zehn Minuten zu spät und muss sich für Diebstahl verantworten. Die rechtsextreme Partei lässt sich ganz selten in ihre Karten schauen. Wer ihre Mitglieder sind, wie die innerparteilichen Wahlen ab- und wie die Diskussionen innerhalb der Partei verlaufen, das behält die Görlitzer NPD lieber für sich. So sind solche Gerichtsverfahren eine Chance, hinter die Fassade der Rechtsextremen zu schauen. Und siehe da: Ausgerechnet ihr Görlitzer Vorsitzende entspricht so gar nicht den vermittelten Klischees dieser Partei.
Latzel steht an diesem Tag nicht das erste Mal vor Gericht. Schon fünfmal machte der 31-Jährige mit der Justiz Bekanntschaft. 2002 hat er Ärger mit seinem Arbeitgeber. „Der hat keinen Lohn mehr gezahlt, da habe ich auf dem Schlauch gestanden“, sagt Latzel. Aus „wirtschaftlicher Not“ erschlich er sich nicht näher bezeichnete Leistungen: Mit 1500 Euro Geldstrafe ahndet das Münchner Amtsgericht die Tat. Ein Jahr später steht Latzel erneut vor demselben Amtsgericht, wieder wegen Diebstahls. Mit 1600 Euro bestraft ihn das Gericht. Ein Jahr später verhandelt das Augsburger Amtsgericht gegen ihn wegen Beleidigung mit vorsätzlicher Körperverletzung: 2400 Euro sind die Strafe.
Dann wird es ruhiger um ihn, der gebürtige Görlitzer kehrt in seine Heimat zurück. Doch bereits im Oktober 2006 steht er wieder vor einem Amtsgericht, diesmal vor dem Löbauer: falsche uneidliche Aussage lautet der Vorwurf. Erstmals verhängen die Richter eine Freiheitstrafe gegen ihn: Acht Monate auf Bewährung.
Innerhalb der Bewährungszeit begibt sich Latzel auf Kaffeefahrt. „Wenn die betrügen, kann ich das auch mal“, sagt er sich und kauft Gegenstände ein, ohne zu bezahlen. Die Folge: Erneut erhält er einen Strafbefehl von 400 Euro. „War Schwachsinn von mir“, bekennt er jetzt kleinlaut vor dem Görlitzer Amtsgericht. Noch heute zahlt er diese Summe ab, in Monatsraten a 30 Euro. Und seine Bewährungszeit wird verlängert bis Mitte Januar dieses Jahres.
Dann kommt jener Abend im September vor einem Jahr. „Ich bin kein notorischer Ladendieb“, sagt Latzel. Als der Richter ihn nach Motiven für den Klau fragt, druckst und druckst er herum, findet keine Worte. Das geschieht häufig. Auf die Frage, was er den ganzen Tag mache, schweigt Latzel wieder. Dabei könnte er viel erzählen: Wie er für die NPD Plakate geklebt hat, wie er mit dabei ist, wenn die Rechtsextremen ihren Lautsprecherwagen durch die Stadt fahren, wie er im Kreistag für die NPD sitzt und mitarbeitet, wie er bei der Stadtratswahl 771 Stimmen erhielt und trotz dieser hohen Stimmenzahl doch nicht gewählt wurde. Von all dem könnte er erzählen, doch Latzel schweigt.
Stattdessen zeichnet er von sich das Bild eines Zukurzgekommenen: Arbeitslos seit 2003, vom Hartz-IV-Regelsatz lebend, ohne berufliche und damit auch Lebensperspektive. Die Miete zahlt die Behörde für seine Wohnung. Und erst vor kurzem sei er wieder wegen eines Jobs im Dienstleistungszentrum für Arbeit gewesen. Vergebens. „Ich würde für eine Stelle auch Görlitz verlassen“, flüstert er beinahe.
Jetzt muss Latzel nicht nur in der eigenen Partei mit der Verurteilung leben, sondern auch noch die Häme der Antifa ertragen: „Vermutlich waren es wieder die linksextreme Antifa, oder auch die Globalisierungsextremisten der CDU, die Herrn Latzel da etwas in die Jackentasche geschoben haben“, heißt es auf deren Internetseite schon.
Latzel selbst hat jetzt vermutlich ganz andere Sorgen: Innerhalb der nächsten sechs Monate muss er 150 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten. Kommt er dem nicht nach, geht er doch noch für zwei Monate hinter Gitter.
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